18. Juli
Zwei Minuten vor Acht. Schon fast zwei Stunden sind wir zugange, haben ausgiebig gefrühstückt und warten auf den Journalisten. Und der steht pünktlich um Zwei nach Acht vor unserer Tür. Ein sehr netter Mensch, der Harry Güssefeld, der für die Altmark-Zeitung schreibt. “Harry Hirsch” könnte es nicht besser machen. www.az-online.de
Wir sitzen gemütlich auf unserer Eckbank und unterhalten uns angeregt. Über eine Stunde recherchiert der Redakteur und er macht seine Sache sehr, sehr gut. Er weiß auch viele spannende Geschichten von seinen früheren Reisen nach Kanada und Alaska zu erzählen und die Zeit wird uns nicht lang. Er will uns die Originalausgabe der Zeitung zusenden.
Dann brechen wir auf und alle Campinggäste, die schon wach sind oder auch wachgemacht wurden durch unser Pferdegewieher, das fröhlich aus unserem Außenlautsprecher ertönt, stehen vor ihren Behausungen und winken uns lange nach. Eine Frau meint, es sei schade, dass der schöne bunte Fleck im Wald nun nicht mehr da ist und wir fahren müssen. Wir haben uns hier auch sehr wohlgefühlt und nehmen nur gute Erinnerungen mit. In der Touristeninformation in Arendsee bekommen wir leider keine Aufkleber für unseren Vagabunden. So etwas gibt es bei uns leider noch nicht, sagt bedauernd die freundliche Dame. Nun gut, muss auch nicht unbedingt sein. Die Sonne scheint, es sind 18 Grad und unser Trecker schnurrt wie eine Eins.
Die Polen haben wirklich gute Arbeit geleistet. Wir haben seit Czaplinek kein Öl mehr nachfüllen müssen und auch der Kühlerwasserstand bleibt konstant. Ab Mittelschweden, wo wir den Öleinfülldeckel verloren hatten, haben wir auf 5000 km 9 Liter Öl nachfüllen müssen. Und das Öl war z.B. in Norwegen sehr teuer. 13 Euro pro Liter und das war schon ein Schnäppchen.
Die Landschaft, die an uns im Zeitlupentempo vorüber zieht, ist wieder mal sehenswert. Viel Land, wenig Verkehr, hübsche Dörfer, viele Alleen. Wir überqueren das Flüsschen Jeetze, fahren durch „Wallstave,“ „Dähre“ und „Waddekath,“ wo wir am Ortsausgang ein großes Schild mit der Aufschrift sehen: “ Hier wurde am 17.02.1990 Deutschland an Europa wieder angeschlossen!“
Wir durchtuckern ein Stück durch die „Heidemark“ und gelangen über die Stadt Wittingen, die wir an der Peripherie durchfahren in den sogenannten Drömling, dem größten Feuchtgebiet der Region. Man sieht am Straßenrand über zig Kilometer nur Sauergräser, Rohrkolben, Schilf und Moor. Die Menschen haben es sicher sehr schwer, das Land urbar zu machen und die Äcker zu bestellen.
Wenig später überqueren wir den schmucklosen, geradlinigen Elbe-Seiten-Kanal, der unbelebt wirkt.
Unser heutiger Übernachtungsort soll der Luftkurort „Hankensbüttel“ sein, wo es nach dem ADAC-Führer einen Stellplatz im Grünen geben soll mit bis zu 40 Plätzen. Im Städtchen angekommen, parke ich an einer geeigneten Stelle und Barbara läuft etwa 2 km zurück zu der im Führer angegebenen Adresse, um uns anzumelden und gleich die Übernachtungsgebühr zu zahlen. Barbara kommt durchgeschwitzt nach etwa 40 Minuten wieder zurück. Sie hat die geforderten sechs Euro entrichtet, hörte aber von der Dame an der Zahlstelle, dass es dort weder Strom oder Wasser und auch keine Toilette gibt.
Wie gut, dass wir immer genügend zu Trinken an Bord haben.
Am Stadtrand finden wir ohne Mühe diesen Superplatz. Nur ein Wohnmobil glänzt da in der Nachmittagssonne, aber es ist niemand anwesend. Wir schauen uns um und stellen erfreut fest, dass es doch eine Wasserentnahmestelle gibt, die kostenfrei ist und sogar zwei saubere Toiletten, die mit Solarstrom gespeist werden. 50 Meter weiter befindet sich ein Wassertretbecken, welches wir auch sogleich unseren Füßen angedeihen lassen. Wenn die Wassertemperatur mal gerade 10 Grad hat, wäre es nicht übertrieben. Wir stürzen uns in die Fluten und versuchen nach zwei Minuten wieder Leben in unsere knallroten Gliedmaßen zu bekommen. Nur Strom kann man keinen ziehen und so hat unsere zweite Autobatterie mal wieder zu tun.
Es herrscht eine himmlische Ruhe auf der gemähten Grasfläche und wir genießen diese Abgeschiedenheit mitten in der sommerlichen Natur.
Jemand wünscht mir plötzlich über meine Schulter hinweg mit heller Stimme einen guten Tag, als ich gerade meinen Nachmittagskaffee trinken will. Ich habe gar keinen gesehen. Es sind zwei junge Frauen, die mich da angesprochen haben. Die Eine trägt eine Gitarre auf dem Rücken und eine Fototasche über der Schulter. Die Andere hält ebenfalls eine Profikamera in der Hand. Sie bestaunen unser Gespann und wir kommen ins Gespräch. Die Eine outet sich als freie Mitarbeiterin des „Isernhagener Kreisblattes“ und ist dort als freie Mitarbeiterin engagiert. Sie schreibt fleißig mit, was wir ihr so alles zu erzählen haben von unserer bisherigen Reise und beide machen mit ihren großformatigen Kameras einige Fotos.
Das gab es bisher auch noch nicht, dass an einem Tag gleich zwei Pressevertreter bei uns zu Gast waren. Den Artikel sollen wir per Mail zugeschickt bekommen. Das wäre dann die 21ste Pressemeldung in 15 Wochen.
Rekord! Die Damen machen uns noch auf das nahe Otternzentrum aufmerksam. Eine Attraktion, die wohl in dieser Größenordnung einmalig in Deutschland sein dürfte. Und es wären auch nur 300 Meter zu gehen bis zum Otternpark. Doch es ist schon nach 17 Uhr und der Tierpark schließt bereits um 18 Uhr. Schade, sehr, sehr schade, denn wir hätten Lust und Zeit gehabt, uns diese possierlichen Nager und andere Artverwandten anzuschauen.
Wir haben uns unterwegs eine Dose Erbseneintopf und ein Glas Siedewürstchen besorgt und schlemmen am Abend nach Herzenslust. Ab und zu pilgern Spaziergänger in der Abendsonne an unserem Wagen vorbei und alle zücken ihre Handys für ein Erinnerungsfoto.
Dann donnert es los. Ein heftiger Platzregen prasselt hernieder und wir sitzen gemütlich auf unserer Eckbank und lassen es blitzen und donnern. Ein schönes Gefühl, wenn man warm im Trockenen sitzt und den rinnenden Wassertropfen nachschaut, die in Bächen an den vier Bauwagenscheiben herunter rinnen. Morgen brauche ich unsere Geranien und die Sonnenblumen nicht zu gießen. Sie haben heute Wasser für sechs Wochen bekommen. Der Sonnenuntergang, den wir liegend in unserer Koje erleben, entschädigt uns für den gut gemeinten Abendgruß vom guten, alten Onkel Petrus.