19. Juli
Ein herrlicher Sonnenaufgang kurz nach Vier. Wenn ich unsere Fotokamera griffbereit gehabt hätte, wäre das ein sehr stimmungsvolles Foto geworden. Doch ich schlafe noch einmal für zwei Stunden ein. Trotzdem sitzen wir schon um Acht wieder auf unseren Martersitzen und haben unsere Blicke nach Westen gerichtet. Als wir tanken müssen, sehen wir nebenan eine kleine Werkstatt, die der Tankstelle angeschlossen ist. Endlich kann der uralte Frontscheibenwischer ausgetauscht werden und auch das linke Rücklicht, das seit dem zweiten Crash in Schweden notdürftig mit einem Klebeband zusammenhält wird gegen ein neues ausgetauscht. Der Monteur sagt, früher verlief hier die ostdeutsche Grenze und das Dorf, in dem wir uns aufhalten war Sperrgebiet. Wir brauchen nur den einen Wischer bezahlen, obwohl es das sonst nur im Set gibt. Das ist Service!!
Wir stoßen an die Landesgrenze zu Niedersachsen und verlassen den „Sektor Ost“, Sachsen-Anhalt. Es geht in den Landkreis Gifhorn in die Südheide über Steinhorst,“ Lachtenhausen a.d. Lachte“ und über den Fluss Aller. In „Mellendorf“, wir befinden uns gerade in einem Supermarkt, ruft uns Radio Bremen an mit der Frage, wo wir uns gerade befinden. Das Bremer Fernsehen möchte uns ein Stück des Weges begleiten und sie wollen wenig später noch einmal anrufen, ob das alles so klappt. Der Anruf erwischt uns eine halbe Stunde später auf der Weiterfahrt.
Es sind durch das Donnern des Motors nur Wortfragmente zu verstehen. Wir bekommen die Nachricht, dass wir uns leider nicht mehr im Sendegebiet von Radio Bremen befinden und die Redakteurin bedauert dies sehr. „Ist okay!“ „Danke für den Rückruf!“ höre ich Barbara in den Hörer schreien.
Als wir die „Grenze“ passieren, werden wir sogleich auf eine etwas unangenehme Art daran erinnert, dass wir wieder im Westen sein müssen. Die Straßenbeläge lassen viel zu wünschen übrig und wir drosseln hin und wieder das „Tempo.“ Weiter geht es über die „Niedersächsische Spargelstraße.“ Kleinvermarkter und um Kunden werbende Bauernhöfe mit kleinen Verkaufsständen dicht an der Landstraße sieht man fast in jedem Dorf. Von Frühkartoffeln bis Erdbeeren und Mirabellen wird alles angeboten, was das Land gerade hergibt. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, wenn ich die vollreifen gelben und blauen Pflaumen sehe. Wir fahren am Ort „Himmelreich“ vorbei über „Averhoy“ in Richtung Steinhuder Meer, unserem nächsten Stellplatz. Es ist halb Drei und wir müssen auf den Platzwart warten, der erst um 15 Uhr wieder zu sprechen ist. Als wir über den Platz bummeln, der 180 Camper aufnehmen kann, sehen wir mit Erschrecken ein Hinweisschild, deutlich und nicht zu übersehen mit zwei Symbolen darauf.
Caravans und Zelte verboten! Nur Wohnmobile sind erwünscht. Das kann ja heiter werden. 6 Stunden sind wir für die 100 km gefahren und nun diese Enttäuschung. Endlich wird aufgeschlossen. Wir setzen unser schönstes Globetrotterlächeln auf und sprechen optimistisch vor. Andere Ankommende hinter uns hören gespannt mit. Ja, sagt die junge Dame, die sehr couragiert aussieht, da will ich mal eine Ausnahme machen mit Ihnen. Ich habe Ihr Gespann schon gesehen. Toll, was Sie da haben! Suchen Sie sich bitte irgendeinen Stellplatz ganz hinten im Gelände aus, da wo Sie nicht Morgen zurückstoßen müssen. Herzlichen Dank, entfährt es mir und stillschweigend zahlen wir die 6 Euro für die eine Nacht und verschwinden mit unserem Gespann im hintersten Winkel des Stellplatzes. Wir stehen mal wieder in Waage, was nicht alle Tage vorkommt. Wir merken das am ehesten, wenn die Tür nicht unten am Boden anschlägt und die Getränke im Glas einen gleichmäßigen Spiegel haben. „Mein“ Spiegel hält sich dagegen derzeit sehr in Grenzen. Wir gehen ein Stückweit zum Hafen hinunter und ich kaufe mir einen ordentlichen Aal, auf den ich mich schon seit Tagen freue. Ganz frisch geräuchert ist er und schön fett, so, wie ich Aal am liebsten esse. Bei ca. 150 Wohnmobilisten bleibt es natürlich nicht aus, dass alle paar Minuten die Hobbyfotografen auftauchen und das Gespann und deren gelassene Insassen aufs Filmkorn nehmen. Alle sind begeistert und bis zum Einbruch der Dämmerung habe ich sicher 25 Packen Prospekte unter die Massen verteilt. Eine Dusche gibt es auch und auch eine Waschmaschine und eine Entsorgungsstation für Fäkalien. Den Stellplatz am Steinhuder Meer können wir guten Gewissens weiter empfehlen. Das Wetter soll umschlagen und es wird Regen erwartet. Was soll’s, wir besitzen ja einen neuen Scheibenwischer und die Bauwagenfenster sind auch wieder dicht.