Noch vor dem Frühstück wird mir mein himmelblaues „Schmuckstück“ von einer gewissen Schwester Jasna behutsam mit einem beherzten Ruck entfernt. Nun muss ich’s wieder alleine „können.“ Man stelle sich vor, man habe sich aus Versehen in einen Haufen Erdwespen gesetzt, die wie auf Kommando alle zur gleichen Zeit jede Region des geschundenen Unterleibes heimsuchen. Hach, ist das schön, wenn der Schmerz nachlässt! Dann folgt die große Morgenvisite durch eine Handvoll Ärzte, die mir mitteilen, dass ich am Folgetag „nach Hause“ könne. Dahin möchte ich aber sehr zur Verwunderung einiger Nichteingeweihten nicht, sondern ich habe Heimweh nach unserem Bauwagen. Gelächter! Man fragt mich, ob es mir gut ginge und ich verziehe das Gesicht zu einem schmerzfreien Lächeln. „Na klar, Herr Doktor!“ „Ich fühle mich gut und genieße seit 10 Minuten wieder meine kleine Freiheit auf der Toilette!“ Wieder Gelächter. Dann bekomme ich noch ein paar medizinische Instruktionen, wie in den nächsten Wochen mit mir zu verfahren sei. Der ärztliche Begrüßungspulk rauscht davon und ich verzehre mein Frühstück halb im Stehen, so sehr schmerzt mich mein „Zappedäus.“
Es gibt ein paar Schmerztropfen und der Spuk klingt nach und nach ab. Breitbeinig wie ein Sumoringer stapfe ich auf und ab über den Stationskorridor und versuche mich durch Gespräche mit anderen Leidensgenossen von meinen Pieksen abzulenken. Dies gelingt nur zum Teil. Eine Stationsärztin betritt unerwartet mein Zimmer. Sie stellt mir zuerst ein paar unverfängliche Fragen, bevor sie zur Sache kommt. Einige angehende Urologen hat sie sich ausgesucht, die mich auf meinem Krankenlager „heimsuchen“ und befragen wollen (sollen.) Ich hätte, so die Ärztin einen sehr ungewöhnlichen Krankheitsverlauf mit vielen Komplikationen und mein Fall würde sich gut dazu eignen, den zukünftigen Medizinern etwas beizubringen. Ich bin mit den Besuchen einverstanden und warte, was nun kommt. Und schon kommen sie. Sieben auf einen Streich! Junge, wissbegierige, Menschen in weißen Kitteln, die sich im Halbkreis vor meinem Bett aufstellen. Ich frage sie schon beim Eintreten, wie es ihnen geht. „Die Frage wollten wir eigentlich Ihnen stellen!“ so ein überraschter Fastmediziner. Dann kommt das Gespräch in Gang und ich werde zum Verlauf meiner Leidensgeschichte befragt. Die Ärztin unterbricht fast weniger als ich die angeregte, angenehme Konversation und erklärt die medizinischen, diagnostischen und postoperativen Maßnahmen, die mit meiner Geschichte zusammenhängen. Ich lerne einiges mehr über das Urogenitalsystem und über eine erfolgreiche Steinsanierung. Vieles weiß ich schon aufgrund meines 37jährigen Arbeitslebens als Altenpfleger und durch meine eigenen früheren Erkrankungen. Einiges ist mir aber neu und ich höre gespannt zu, was die wortgewandte Ärztin zu verkünden hat. Nach zwanzig Minuten scheinen alle mit genügend Wissen gefüttert worden zu sein und der fröhliche Weißkittelclan verlässt meine Bude wieder. Es hat Spaß gemacht.
Barbara besucht mich heute ein letztes Mal. 15 Tage hat sie den weiten Weg vom Campingplatz am Möslepark zur Klinik auf sich genommen, um sich vom Fortgang meiner Gesundung zu informieren. Morgen werde ich wieder „vor Ort“ sein hoffe ich. Ein Arzt sonographiert am Nachmittag noch einmal die Blase und den eingelegten Stent. Um zu verhindern, dass durch das „Gerüttele“ während der OP in Niere und Harnleiter (Ureter) als der ominöse Nierenstein entfernt wurde, der Harnleiter verklebt, wurde mir eine neue Ureterschiene in einer Länge von 28 Zentimetern zwischen Niere und Blase eingelegt. Natürlich soll dieser Plastikschlauch nur etwa 14 Tage im Körper verbleiben, um dann wieder von einem Urologen in der Heimat gezogen zu werden. Wie ich erfuhr, hat der Chirurg einige Mühe gehabt, den Stein zu holen. Mit Ultraschallwellen wurde er z.T. gesprengt und der Rest mit einer Art Zange (kein Engländer) zerdrückt und ins Freie befördert. Daher jetzt auch noch meine kleinen und großen Beschwerden. Doch alles geht einmal vorüber und ich bin den Ärzten sehr dankbar, dass sie es mit ihrer Kunst geschafft haben, wieder einen halbwegs brauchbaren und pinkelfreudigen Menschen aus mir zu machen. Ich kann es kaum abwarten, entlassen zu werden.
Hoffentlich habe ich mich hier gut geführt, damit ich wenigstens ein Abgangszeugnis bekomme. Lediglich die ausgesprochen nette FSJlerin Viktoria mit ihren lustigen, wachen Augen stellt mir eine gute Note im Betragen aus. Erfreulich! Am Abend bekomme ich die vorletzte antibiotische Infusion angehängt. Ich schaue bis nach Mitternacht fern. Zu munter bin ich jetzt und fiebere meinem „Ausstieg“ aus dem Universitätsklinikum entgegen. Der Papst macht auch schon wieder von sich reden. Ein Rundschreiben von der Klinikleitung für alle Patienten und Angehörigen liegt auf meinem Nachttisch. Darin werden einschneidende Einschränkungen im Besuchs- und Fahrverkehr am kommenden Wochenende angekündigt. Nur mit Taxen ist das Klinikum für Besucher dann noch zu erreichen. Fußgänger brauchen einen besonderen Passierschein und das Benutzen von Fahrrädern ist total verboten. Auch der Luftraum ist Samstag und Sonntag über Freiburg für jegliche Flugkörper gesperrt. Aber welcher Besucher kommt schon in Richtung Klinik/Messeplatz/Flughafen angedüst, um seine Angehörigen zu besuchen. Lediglich der Heilige Vater darf mit einem katholischen Helikopter über seine Schäfchen schweben. Der Segen wurde vom Erzbistum Freiburg und vom Bundesluftfahrtamt eigens dafür erteilt.
Soweit das Neueste aus der „Papststadt“ Freiburg im Breisgau.
Hallo Liebe Barbara und Dieter,
da wir schon wieder fast 4 Wochen ‚on tour‘ sind, dabei kaum über internet verfügte, seit lange wieder ein bericht von uns. Erschrokken über was sich bei Euch getan hat, erfreut aber das letzendlich kein Stein vom Herzen sondern von ein mehr diskrete Stelle ‚Gefallen‘ ist, wünschen wir Dieter gute Besserung und hoffen das Sie ihren ‚Weltreise‘ doch noch einigermasze erfreulich abschliesen können.
Wir bleiben, sei es sparsam, in kontakt!
Warme grüsse!
Fred und Els
Hallo lieber Dieter,
ich bin heilfroh, daß Du alles überstanden hast und Barbara Dir immer tapfer zur Seite stand.Jetzt erhol Dich erstmal in Deinem geliebten Bauwagen, gönnt ein Euch ein paar schöne Tage und macht keine großen Experimente in Sachen Traktor fahren !!!
Liebe Grüße und alles Gute Marianne und Udo