In der Nacht bekommt unser Zimmer einen neuen Patienten, der notfallmäßig eingeliefert wird. Mein netter Nachbar aus Waldkirch ist leider gestern schon entlassen worden. Am Nachmittag wird noch ein weiterer Herr herein gebracht. Nun ist das Kleeblatt voll und „Stube 4“ ist komplett mit „alten Säcken“ belegt. Seit gestern Abend 21 Uhr bin ich nüchtern. Mein Flügelhemd und die weißen Antithrombosestrümpfe hängen griffbereit über der Stuhllehne.
Kurz nach Sieben morgens schnappe ich ein wenig Luft draußen vor dem Eingang. Da kommt ein Taxi vorgefahren und ihm entsteigt ein großer, stabiler Endfünfziger, der einen Rollator vor sich herschiebt, eine dunkle Sonnenbrille trägt und lautstark auf den Euro schimpft. Ich entgegne ihm trocken, dass ich es auch viel besser fände, wenn Heller und Batzen wieder eingeführt würden. Er lacht verhalten und beginnt, mir seine Leidensgeschichte zu erzählen. Scheinbar verwechselt er mich mit dem Klinikpfarrer, obwohl ich in „Anstaltskleidung“ vor ihm stehe. Er ist Kripobeamter beim BKA in Wiesbaden, vom Dienstrang Oberkommissar und hier vorübergehend in Freiburg stationiert. Bei einem Einsatz letzte Woche, wo eine hochschwangere Frau, die massiv von ihrem Ehemann bedrängt wurde, um Hilfe rief, wurde er, als er den Ehemann zurückdrängen wollte von diesem mit einer Schrotflinte in den Unterschenkel geschossen. Ich höre gespannt zu. So eine „Story“ auf nüchternen Magen muss erst mal verdaut werden. Ich wünsche dem „Kriminalen Grünrock“ eine rasche Genesung und er humpelt weiter zur ambulanten Nachbehandlung und wünscht mir dasselbe.
Danach bleibe ich im Bett und döse vor mich hin in Erwartung der bevorstehenden OP. Sie ist für 13 Uhr angesetzt. Dann schickt man mich am Vormittag nochmals zum CT in den Keller. Der Thorax wird untersucht, da man letzte Woche einen undefinierbaren Schatten auf der Lunge entdeckt hat. Nun gut, es gibt ja auch genug Sonne in diesen Tagen im September. (!?) Danach lege ich mich wieder zu Bett. Die Nachbarn verspeisen genussvoll ihre Kalbsbratwurst und mir läuft das Wasser im Darm zusammen. Dann ist es endlich 13 Uhr. Niemand holt mich ab. Es wird halb zwei und es wird 14 Uhr. Da endlich setzt sich ein Stationsarzt zu mir ans Bett und erklärt mir, dass ich zur Zeit inoperabel sei. „Warum denn das?“ frage ich sehr erschrocken. Dann folgt eine längere Erklärung, die mich blass werden lässt. Die Auswertung der CT ergab, dass sich an einem Nebenast der Lunge eine sogenannte Lungenembolie gebildet hat und eine Narkose unter dieser Konstellation nicht ratsam wäre, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken. Oh, Gott! Ich weiß um die Gefahren dieses Ereignisses nur zu gut Bescheid und rutsche immer tiefer in meinem Bett. Meine Hände werden feucht und der Hals ist trocken. Was nun, Herr Doktor? Abwarten, meint der Gute. Ich bekäme per Injektion erst einmal blutgerinnungshemmende Mittel und soll dann noch heute zur Doppler-Sonographie, um die Funktion und die Durchgängigkeit der Beinvenen zu überprüfen. Dann bin ich wieder allein mit meinen Gedanken.
Aber nicht lange. Ein junger Facharzt in der Angiographieabteilung untersucht sehr ausgiebig beide Beine. Er findet sehr bald heraus, dass sich im Bereich der Kniekehle im rechten Bein eine Thrombose entwickelt hat und eine Vene verstopft. Da ist die Ursache also gefunden. Ein Stück des Thrombus hat sich offenbar losgerissen und ist zur Lunge hin gewandert. Wie gut, dass es keinen Hauptast getroffen hat, sonst…
Jetzt verstehe ich die Zusammenhänge und die möglichen Folgen und Risiken und mir ist völlig klar, dass man mich unter diesen Umständen nicht in Narkose bringen kann. Zu gefährlich, zu gewagt.
Ein Anästhesist sucht mich am Abend auf und erklärt mir noch einmal die Lage. Der Nierenstein kann auf diese Art und Weise nicht geholt werden und die Uretherschiene muss auch noch warten. Sch…..!!! Vorrangig ist aber nun, das Risiko einer kompletten Lungenembolie zu minimieren. Alles andere ist nebensächlich. Das ist natürlich ein herber Schlag für mich. Und es bedeutet, dass mein Aufenthalt von längerer Dauer sein wird.
Das ist Abenteuerurlaub pur! Mit allen Facetten ! Es tut mir nur leid um Barbara, die jetzt schon seit sechs Tagen alleine im Bauwagen verbringen muss. Aber es bleibt mir kaum Zeit, weiter darüber nachzudenken. Ich bekomme in einer anderen Abteilung das rechte Bein bis über das Knie mit zwei Elastikbinden gewickelt, um die Venen zu komprimieren und um Schlimmeres zu verhindern. Das linke Bein kommt mit einem weißen Kompressionsstrumpf aus.
Das Unangenehme daran ist nur, dass sich aus physikalischen oder besser anatomischen Gründen die Perspektiven unterhalb des Bauchnabels ständig verändern, was zur Folge hat, dass die Beinumhüllungen ständig auf „Halbmast“ hängen. Da haben es doch die Frauen besser, für die besondere Haltevorrichtungen gegen das Abrutschen erfunden wurden. Ich bin sehr niedergeschlagen und frage mich, ob ich meine Erkrankung hätte verhindern können. Es ist schon ein sehr merkwürdiges Gefühl, wenn man weiß, dass sich die Chancen, das Krankenhaus wieder als halbwegs Gesunder verlassen zu können minimiert haben. Doch Trübsal blasen ist nun gar nicht mein Ding. Ich versuche, diesen Schicksalsschlag irgendwie wegzustecken und vertraue auf die Kunst der Fachärzte, die mich bisher stets professionell behandelt haben. Und…ich vertraue auf die Widerstandskraft meines Körpers und meines Geistes. Bisher ging immer alles gut aus. So auch jetzt. Da bin ich sicher und will mutig die kommenden Tage angehen. „Noch ist Polen nicht verloren!“ Und unsere Europareise wird sich bald fortsetzen. Wetten, dass?
Hallo Leidender Reisender,
Leidende zu trösten ist für mich heute Morgen zu einer Berufung geworden. Gerade eben musste ich zwei Kolleginnen (Schwestern) trösten, deren Mutter psychisch krank ist und
heute Morgen ausgebüxt ist, da sie in die Klinik eigeliefert werden sollte.Gerade habe ich erfahren, das Muttchen wieder eingefangen worden ist. Tja, die Polizei dein Freund und Helfer. Ein genau so gutes Ende wird es auch mit Ihnen geben, wenn es vielleicht länger dauer als es erwartet wurde. Der Kopf ist ja noch oben, obwohl die Kinder böse
schimfe,schimpfe machten. Aber mein Oldie war auch so ein „Starrkopf“, aber es hat ihm
unglaublich Kraft gegebenals er krank wurde. Die Ärzte haben als nur so gestaunt, mit was für Lebensfreude und starkem Willen er wieder auf die Beine kam. Genau so wird es bei Ihnen sein, zumal Sie ja eine bezaubernde Frau haben, die ich ja schon kennenlernen durfte. Alle Achtung! So, jetzt wirds eng mit dem Schreibplatz. Werde mich mal wieder melden. Und Heimgetuckert wird natürlich mit dem Zetor. :-) L. Grüße
Joachim
halli-hallo…das ist ja ein voller griff ins klo :-(–
aber gut das mann es so früh noch erkannt hat…gute besserung und jetzt erst mal alles schön langsam und noch keine neuen reiseplähne schmieden…!!! erst mal wieder richtig gesund werten
gruß wolfgang müller
hey papa,
spiel das alles nicht so runter. du hättest tot sein können, ist dir das wirklich klar ?!?
ja, bisher ging immer alles gut aus, aber irgendwann ist das glück auch mal zu ende und dann?
das ist kein urlaub der welt wert!
wir hoffen, du bist vernünftig, denkst an dich und deine familie und kommst in einem gefährt nach hause, was mehr als 24 km/h drauf hat und deiner „gesundheit“ keinen weiteren schaden zufügen kann. auch mama zuliebe.
pfleg dich, werd schnell wieder gesund, dicken drücker, wir denken an dich du alter starrkopf :-))!!
Hallo Dieter,
viele Grüße von Deinem „cuñado“ und alles Gute.
Ich bin wahrscheinlich in der Zeit vom 22.-24.09. mit dem Mopped im Schwarzwald. Vielleicht laufen wir uns ja mal über den Weg. Ich melde mich dann, wenn ich irgendwo in Eurer Nähe bin.
Übrigens: Du hast schon einiges über die „Uretherschiene“ geschrieben. Wenn Dir die Doktores das Teil entfernt haben, mach doch mal ein Foto.
Bis bald.
Wolfgang