11. Mai
Wir sind das erste Mal in Finnland. Und zwar reisen wir nicht wie vernünftige Touristen im Süden ins Land, sondern fangen gleich mit „Finnisch-Lappland“, mit der Finnmark an, da wir ja direkt aus „Schwedisch-Lappland“ kommen. Die Weite um uns herum und die kleinen, entfernten lichten Fichten- und Birkenhaine lassen uns Entfernungen besser einschätzen. In Schweden fährt man ja zumeist durch dichten Wald und sieht lediglich die kilometerlange, gerade Straße vor sich. Es ist Halbdrei und wir halten auf einem größeren Rastplatz an, um die mitgenommenen Stullen zu verzehren. Die Sonne scheint und es geht uns gut. Noch !
Wir sitzen wieder auf, ich starte und … das entsetzlich schnarrende Klickern des Anlassers oder auch der Lichtmaschine lässt mir die Ohrenhaare büschelweise aus den Hörmuscheln fallen. Das darf, das kann doch nicht wahr sein! Die Batterie ist niegelnagelneu, die Lichtmaschine ebenfalls, aber der Motor macht keinen Muck mehr. Ein Kombi- Mercedes mit einem Forstarbeiter hält an. Der Mann eilt zur Trockentoilette. Ich halte ihn ab davon, weil ich Hilfe brauche. Er spricht lediglich finnisch. Und das sehr fließend! Aber er versteht um was es bei uns geht. Mit Zeichensprache bitte ich ihn darum, eine Werkstatt anzurufen. Das setzt er auch wortreich sofort um. Ich bedanke mich in mindestens 20 Sprachen, aber er lacht nur und fährt davon, unser erster Retter in Finnland. Offenbar hat er tatsächlich vergessen, wegen welchem Bedürfnis er eigentlich hier angehalten hat, denn er gibt auf der Hauptstraße ordentlich Gummi. Hoffentlich pieselt er sich nicht wegen uns ins Hosenbein, denke ich so bei mir und hocke mich neben Barbara auf einen Felsblock.
Dreißig Schweigeminuten später kommt ein Kombi in Sicht. Das hört man schon am Rauschen auf einige Kilometer Entfernung. In Schweden in den letzten drei Stunden vor der Grenze habe ich einmal alle Fahrzeuge gezählt, die uns entgegen kamen oder überholt haben. Es waren ganze 16 Autos ! So, zwei Monteure bleiben stehen und geben sich als diejenigen aus, die der Forstarbeiter gerufen hat. Sie sind 30 Kilometer gefahren von daher, wo wir herkamen. Kurze Diagnose: Die Batterie ist leer, die Lichtmaschine lädt nicht auf. Aus-Ende! Wir bekommen Starthilfe und der Dreizylinder brummt wieder. Sie telefonieren mit der nächst erreichbaren Autoelektrik-Werkstatt und melden uns dort an. Das sind aber immerhin 61 Kilometer, also 3 Stunden Fahrt mit dem Trecker. Und dann nicht mal gen Norden, sonders nach Süden, wo wir gar nicht hin wollen. Macht nichts, anders geht es halt nicht.
Ich schalte alle Verbraucher aus, besonders die Frontscheinwerfer, auch auf die Gefahr hin, dass uns die Polizei anhält, da man bekannterweise auch in Finnland tagsüber mit Licht fahren muss. Auch Blinken geht nur noch angedeutet. Ich habe ja vier Rückspiegel. Die Stadt, in die wir kommen, heißt „Muonje.“ Wir lassen den Zetor beim Tankstopp laufen, da er ja sonst nicht mehr anspringt. Der Dieselkraftstoff kostet hier im Schnitt 1,49 Euro. Zwanzig Cent weniger als in Schweden. Eine genaue Adresse der Fachwerkstatt haben wir nicht, nur einen Namen, der unaussprechlich ist und eine Telefonnummer. „Autosäkhopasma“ oder so. Wir lassen uns an der Tanke den Weg dorthin beschreiben. Auf…finnisch! Uns bleibt nur, freundlich zu nicken und nach den Handbewegungen zu schauen. Das klappt. Wir fahren Schritttempo. Es ist inzwischen fast 20 Uhr. Der schmale Weg am Ende des Städtchens, der nur erdgebunden und sehr holprig ist, ist Gott sei Dank recht kurz. Eine große Garage oder auch Holzschuppen weist sich als Boschwerkstatt aus. Keine Reklame oder sonstiger Schnickschnack am Eingang, der nur 1,70 cm hoch ist. Ich habe die Finnen größer in Erinnerung. Wir parken drei Meter vom Eingang entfernt und bauen auf. Auch eine Steckdose sehen wir vor der Firma an der Schuppenaußenwand, die wir einfach anzapfen. Unsere Stecker passen sogar. Es ist lausig kalt geworden, nur noch sechs Grad im Wagen. Ich rufe den Besitzer an, um ihm zu sagen, wir wären jetzt da und haben seinen Strom geklaut. Ich verstehe nur ein Wort von ihm :“tomorrow.“ So kann ich ihn nicht fragen, ob wir Strom ziehen dürfen. Take it easy! Wir kochen ein paar Nudeln auf, die wir mit einem Rest Krabbensalat heißhungrig verschlingen und schlürfen eine Hühnerbrühe kochendheiß hinterher. Das muss reichen für den Abend. Mein Leib ist schon viel flacher geworden, stelle ich wieder mal fest und das ist gut so. Um 22 Uhr klopft es unverhofft an die Wagentür. Ein etwa 50-jähriger, drahtiger Finne steht davor und ich denke, jetzt sagt er, wir können so, wie wir stehen, hier nicht bis Morgen früh stehen und dann auch noch unser Stromklau. Aber er gibt mir freundlich mit einer leichten Fahne die raue Hand, spricht mich sehr schnell in seiner mit der Muttermilch eingesogenen Sprache an und als ich verschämt auf das Stromkabel zeige, nickt er nur zustimmend. Drei Minuten später haben wir ihn auf der Eckbank sitzen und bieten ihm „Gottbürener Schlepperschnaps“ an. Er taut weiter auf und erzählt und erzählt. Wir kommen nicht mehr mit. Englisch kann er nicht, deutsch oder schwedisch auch nicht. Er beginnt mit ein paar Worten spanisch, doch auch hier scheitern wir Drei. „Tomorrow!“ wiederholt er sich lachend und verschwindet in die kalte Abendsonne gegen 23 Uhr. Ich bin gespannt auf den nächsten Tag.
Ob ER den Fehler an der Lichtmaschine findet ??