Finnland – 12.05.11

12. Mai

Um Sieben schnell heraus aus den klammen Nachtklamotten , Waschen in der Schüssel und die kalte Tagkleidung überziehen. Ahhh! Da wird man schneller munter, als wenn man in der Achterbahn erst oben auf der Kuppe das erste Mal die Augen öffnet und den Abgrund vor sich sieht. Um Acht schließt die Werkstatt auf, lese ich an der für Zwerge gemachten Holztür. Dreißig Minuten früher pocht es vernehmlich an unsere Tür. Der Finne ist schon da. Nanu? Hat er etwa schon ausgeschlafen oder will er uns nur schnell wieder weg haben. Weit gefehlt! Ich würge den ersten Bissen Weißbrot mit von zu Hause mitgebrachter Stachelbeermarmelade runter und schaue nach dem Rechten. Kosti, so stellt er sich mit seinem Vornamen vor, prüft alle Kabel mit einem Stromprüfer. Ich muss immer wieder den Starterknopf drücken und ihm die Willigkeit der Kontrolllämpchen durchsagen. Nach 10 Minuten löst er eine blind gemachte Verbindung an der Lichtmaschine, die unser guter Gunnar aus Lannavaara für überflüssig hielt und schließt das Kabel an. Dann wird die Batterie per Schnellladung aufgeladen. Wir bitten Kosti zu einer Tasse Kaffe zu uns hinein. Er kommt gerne. Einen ganzen Stapel Fotos aus aller Herren Länder hat er von daheim mitgebracht, die wir uns gestikulierend und bewundernd anschauen. In Bombay und in Sri Lanka und auf den Malediven war er schon, erklärt er uns minenreich die Bilder. „Ich war schon mal in Kelze!“ murmele ich leise. Barbara wirft mir einen bösen Blick zu. „Wenn er das nun doch versteht?“ Sie ist immer meine fürsorgliche Bremserin und versucht das Unheil zu verhindern, das aus meinem Munde kommt. Als junger Mann sei er auch Rennen mit seiner Cross-Maschine in Finnland und in Norwegen auf den Lofoten gefahren. 

 Das Finnische kann man mit keiner anderen Sprache verwechseln. Das ist wohl das einzige Originelle daran. Er erklärt uns die Zahlwörter von eins bis zehn. Ich merke mir die beiden ersten Zahlen: „yksi…kaksi.“ Ich merke mir als Eselsbrücke „Fix und Foxi.“ Auf den Taxen in Finnland steht immer „Taksi.“ Auch putzig! Bankautomaten heißen „pankkiatomaatti.“ Und „ja“ und „nein“ heißt „kyllä“ und „ei.“ 

Dann machen wir in Windeseile unser Gespann wieder klar zur Weiterreise. Auch eine Birne vom Frontscheinwerfer tauscht der Gute gleich aus. Wir zahlen 70 Euro, drücken ihm Prospekte von unserer Heimat in die Finnenhand und eine Visitenkarte von uns. Gut, dass ich zuvor nachgeschaut habe, was auf finnisch:“ Vielen Dank“ heißt. So freut er sich, als ich ihm beim Abschied sage:“palion gedoxia!“ Alle Wörter werden in Finnland mit ganz wenigen Ausnahmen klein geschrieben. Praktisch! Obwohl…Ich liebe unsere deutsche Sprache aber so, wie sie ist. Nicht klein, nicht groß, sondern variantenreich. So wird man immer wieder mal angeregt beim Schreiben wegen der Groß- und Kleinschreibung. 

In der "Tundra" der Finnmark
In der "Tundra" der Finnmark
Rast an einem der unzähligen Seen
Rast an einem der unzähligen Seen

Wir verlassen die Stadt Muonie mit guten Gefühlen und fahren wieder, wie geplant nach Norden. 50 Kilometer Umweg haben wir gestern machen müssen, da wir ja nach Süden fahren mussten. Das sind auch 50 Kilometer wieder zurück bis an die Kreuzung bei Palojoensuu, bis wir wieder auf der Strecke nach Norden sind. 100 Km, das sind 300 Zetorminuten Umweg. Egal, der Trecker läuft wieder und die Sonne scheint touristenfreundlich. Die Landschaft um uns herum zeigt sich von ihrer besten Seite. Man meint zuweilen, in der Lüneburger Heide zu sein. Es grünt und blüht zwar noch gar nichts, jedoch die wilde Natur hält uns gefangen. Besser, als wenn uns der Bauwagen oder der Trecker wegen einer Panne gefangen hält. An der Hauptstrasse, so wie in Nordschweden auch, fallen uns die hohen Hausnummern auf. Hausnummer 2349 lese ich oder auch eine kürzere: 977. Hier in Finnland haben die Postautos die gewohnte Linkslenkung. In Schweden aber sitzt der Briefträger rechts am Steuer. Das ist sicher enorm praktisch, um die am Wegrand hängenden Briefkästen vom Fahrersitz aus zu bestücken. Man stelle sich vor, der Postbote fährt täglich so um die 100 Kilometer und bringt die Post in alle weit hinten im Wald stehenden Häuser bis hin zur letzten Hausnummer. Er müsste ein Marathonläufer sein mit einer täglich optimalen Kondition. 

Immer wieder hoppeln seit einigen Stunden Lemminge über die Chaussee. Sie sehen aus wie Hamster und haben keinen sichtbaren Schwanz. Wenn man sie ergreifen will, flüchten sie laut quiekend und ohne Handschuhe zu tragen, können sie sehr fest zubeißen. Possierliche Tierchen, die haufenweise als papierdünne Fellleichen auf dem Asphalt liegen. Überall am Wegrand Zäune und uralte rotbraune Bauwagen, sowie großräumige Jurten, Stellen, wo die Samis ihre Herden zusammentreiben und sich eine Weile an den Rentierkoppeln aufhalten. Stolz weht überall auf diesen Flächen die samische Flagge. Alle Ortsnamen in Finnisch-Lappland sind zweisprachig angegeben. In Finnisch und in Samisprache. Die hat auch ganz andere Betonungszeichen. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt mehr darüber berichten. 

Stellplatz in "Enontekiö", sehr zu empfehlen
Stellplatz in "Enontekiö", sehr zu empfehlen

Wir steuern die Kleinstadt „Enontekiö“ nach 90 Fahrkilometern an. Der wunderschön gelegene Campingplatz am Stadtrand an dem breiten Fluss ist gepflegt. Barbara kriegt mal wieder einen zuviel, als ich unseren welligen Halteplatz anvisiere und darauf im dritten Gang zusteuere. „Nein, nicht hierhin, ich habe dir doch wohl deutlich genug Zeichen gegeben, dass du 30 Zentimeter weiter links hättest fahren sollen!“ „Links?“ „Du hast doch rechts gewunken!“ „Nein, ich meinte doch links, du Dösbaddel!“ Aber…genug gezetert, wir stehen trotzdem fast gerade. Wir versöhnen uns sofort wieder, als der Heizlüfter läuft und die milde Wärme unsere morschen Knochen umspielt. 

Die sanitären Anlagen sind in einem fast neuen Zustand. Alles in Natur belassenem Holz und nichts ist kaputt an den Armaturen. Es gibt sogar verschließbare Einzelwasch- und Duschkabinen mit Handbrausen und einem Holzbänkchen zum Sitzen und zum Kleider ablegen. Das sind wir gar nicht gewohnt von den anderen Einrichtungen. Die unvermeidliche Sauna gibt es ebenfalls im Kellergeschoss. Weit und breit ist kein weiterer Camper zu sehen. Die junge Finnin nimmt uns 23 Euro ab. Das war’s! Wir sehen sie danach nicht mehr. 

Im nebenan liegenden Supermarkt sind wir erstaunt. Die Preise sind sehr zivil, ja fast gleich wie in Deutschland. Das estnische Bier hat auch mal 4,5 Prozent Alkoholgehalt und kostet pro Büchse nur 1,40 Euro und das Beste, ja das Allerbeste ist das Bauernbrot. Endlich mal wieder ein ordentliches und kerniges Brot essen können ohne Zucker und Lebkuchengewürz. Wir hauen heißhungrig richtig rein. Anstelle des Sauerrahms, den wir auf’s Bauernbrot streichen wollten, habe ich leider Dickmilch erwischt. Nicht schlimm. Sie ist eh durch die Außentemperatur, die um die drei Grad beträgt fast gefroren. 

Unsere gelben Primeln aus Hofgeismar in unseren beiden Blumenkästen sehen inzwischen auch sehr erfroren aus. Wir nennen sie ab jetzt „Tante Paulas Eisblumen.“ Wir bummeln um neun Uhr in der Abendsonne über den schön angelegten Platz und sehen uns die schmucken Ferienhütten in Ganzdachbauweise von außen an. Viele Häuser und Hütten in Finnland sind blau angestrichen. Anders als in Schweden, wo dunkelrot dominiert. Im Fluss hängen sehr große Fischnetze. Hechte und Lachse sollen sich darin verfangen. 

Dann klappt es am späten Abend mit einer Verbindung in das örtliche öffentliche Internet und ich kann endlich nach 12 Tagen die Emails abrufen und die längst fälligen Berichte und Fotos in unseren Blog einsetzen. Ich sehe, dass fast 48000 Leute unsere Homepage angeklickt haben. Rekord! Um ein Uhr in der Nacht, es ist draußen noch sehr hell, so dass man Zeitung lesen könnte, lege ich augenschwer die Maus zur Seite. Morgen ist auch noch ein Tag und wir wollen über die Grenze ein Stück nach Norwegen rein fahren, um da in der Nähe der Lappenstadt „Kautokeino“ ein warmes Plätzchen für die Nacht zu finden. Es soll anders kommen………

Ab Morgen berichte ich auf der Seite „.“

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