5. August
Der Platz zum Wenden ist sehr eng, aber mit abgehangenen Kabeln gelingt auch dieses Manöver. Das nächste Manöver kommt gleich hinter der nächsten Straßenbiegung. Es steigt an. Und wie! Da der Motor nach 500 Metern seine Betriebstemperatur noch nicht erreicht hat, muss ich viel früher in den nächst kleineren Gang zurückschalten. Wir fahren durch den Nationalpark „ „, den wir schon gestern ein Stück durchfahren haben. Viel dunklen Wald gibt es hier und Berg und Tal wechseln sich alle paar Kilometer ab.
Ich kann getrost auf mein geliebtes Handgas verzichten, da ich ständig das Gaspedal den Steigungen und dem Gefälle angepasst per Fuß bedienen muss. Selten, sehr selten nehmen die Wege einen geraden Verlauf. Heute müssen wir, sobald es geht eine Werkstatt finden, die uns ein wenig Bremsflüssigkeit verkauft. Der Bremsflüssigkeitsbehälter weist nur noch einen Inhalt der lebenswichtigen Flüssigkeit von knapp einem Viertel auf. In dem Touristenort „Chateau-Chinon“, das ganz oben auf der Bergkuppe liegt, tanken wir recht günstig bei der Billigmarktkette „Atac“ auf. Die Kassiererin ist eine Französin, aber sie ist in Deutschland geboren und unserer Sprache mächtig. Das ist gut so, denn an der Zapfsäule muss man noch ein paar gewisse rote Knöpfe drücken, damit der Sprit fließt. Und sie hilft uns unwissenden Fahrensleuten dabei, wie man auf französisch tankt und dabei noch Geld spart. Kurz danach stehen wir vor einer freien Werkstatt in der selben Stadt und können die Bremsflüssigkeit bis zum Maximalstand auffüllen. Es ist ganz alltäglich, dass bei einem Trecker ab und zu Bremsflüssigkeit nachgefüllt werden muss. So dicht ist keine Bremsleitung, dass sie über 9000 Kilometer ihren Füllstand hält. In „Moulins-Engilbert“ wird’s auch nicht flacher, aber wir machen heute einen guten Schnitt mit unserer Reisegeschwindigkeit. 93 km weiter liegt die Stadt „Digoin“, die wir heute Nachmittag erreichen wollen, da es dort einen Campingplatz gibt, der einen Hotspot-Punkt hat und ich dann endlich die Fotos von 15 Tagen in unseren Blog hochladen kann. Auch etwa 20 Emails wären da noch zu beantworten. Wir tuckern über den „Mont Beuvray“, der sich fast 700 Meter über das südliche Burgund erhebt und haben irgendwie heute die Ruhe weg. Egal, ob wir 22 oder nur 12 km/h fahren.
Wir kommen immer irgendwie irgendwo an. Lustig ist das Zigeunerleben. Wir gehören zum „Fahrenden Volk.“ In „St. Honore les Bains“ besorgen wir uns Getränke und ein Baguette, da wir nie wissen, ob es auf dem nächsten Campingplatz etwas zu kaufen gibt. Gerade in dem Augenblick, als wir abfahren wollen und schon wieder einige Meter auf der Straßenmitte sind, winkt uns ein Mann aufgeregt zu und macht Zeichen, dass wir baldmöglichst wieder anhalten sollen. Was ist das denn nun? 50 Meter weiter fahre ich rechts ran. Der Mann ist uns im Eilschritt hinterher gerannt und lässt verlauten, er wäre von der örtlichen Presse. Okay! Dafür stoppen wir schon mal. Dann stellt er uns Fragen, natürlich in bestem Französisch, die ich ihm natürlich in bestem Deutsch beantworten kann. Aber es gibt da noch eine junge Frau, vor dessen Haus wir gerade geparkt haben, die aus Paris kommt und ihre Ferien hier in den Bergen verbringt. Sie versteht mein Englisch und hilft beim Übersetzen ins Französische. Auch eine Postbotin und einige andere Passanten und Schaulustige sind im Nu da, als der Journalist sich mitten auf die Straße stellt, um Fotos zu machen. Der Gegenverkehr schleicht sich ohne zu hupen um ihn herum. Franzosen nehmen’s halt gelassener. Er verspricht, uns den Artikel per Email zuzusenden. Merci, Monsieur! Das wäre der erste Presseartikel über unseren Ausflug in französischer Sprache. Das fehlt uns noch in unserer „Sammlung.“
Hinter der Stadt „Luzy“ geht die Landschaft etwas gnädiger mit uns um. Es wird flacher. An den Straßenrändern stehen kilometerlang kleine und große Akazien und rahmen den Straßenverlauf mit sattem Grün ein. Einen sehr breiten Fluus überqueren wir auch noch am frühen Nachmittag. Es ist der „L’Arraux.“ Kennt niemand? Macht nichts! Wir auch nicht! Aber die Farbe seines Wassers ist schön mittelblau und es wachsen an seinen Ufern viele Seerosen, die uns ein Foto wert sind. Auch Schlösser und Burgen begegnen uns oft. Doch wir können schlecht anhalten, um in die Steilpässe hochzufahren. Zu viel Zeit ginge da verloren und bei der Hitze, die heute mal wieder herrscht sind wir froh, irgendwann anzukommen, um entspannen zu können. „Gueugnon“ ist der letzte Ort vor unserem Tagesziel. Wir düsen mit Karacho durch die buckligen Straßen, denn wir sind nach über sechs Stunden Fahrt in großer Hitze ziemlich fertig mit unserer Bereifung und lechzen nach Schatten. Kurz vor 16 Uhr sind wir endlich in der großen Stadt „Digoin“ angekommen, die sich ziemlich lang hinzieht, da der gesuchte Campingplatz, vom ADAC empfohlen, am entgegengesetzten Ende der Stadt liegt. Zwei Stunden zuvor bei einer Rast im Wald hatten wir den Manager vorsichtshalber angerufen, um zu erfahren, ob dieser Platz für zwei Traktoristen noch frei ist. Wir hatten ja vor vier Tagen einen Platz angesteuert an der Yonne, wo alles belegt war. Aber diesmal sollte es klappen. „You can come!“ sagt die Stimme am Telefon. Wir schauen uns auf dem recht kleinen Gelände, das unmittelbar an die „Loire“ grenzt um und finden an einer Ecke neben dem Spielplatz und gegenüber der sanitären Anlage die einzige Möglichkeit, uns hinstellen zu können. Alle übrigen freien Plätze sind streng parzelliert und viel zu kurz für unser Dickschiff. Die Loire sieht eher dunkel aus und ist am Ufer oft bis zur Mitte des Stromes mit wuchernden Wasserpflanzen bedeckt.
Wie soll da ein Schiff hindurch kommen? Eine Jugendgruppe aus der Schweiz mit Kanus zeltet unmittelbar am Fluss. An der Snack Bar trinken wir das erste kühle, gezapfte Bier seit Wochen. „Amstel“ heißt die Sorte und das 0,25 Liter-Glas kostet stolze 2,50 Euro. Aber es schmeckt. Danach gehe ich online. Der Platz bietet diesen Service und deshalb haben wir ihn uns auch ausgesucht. Neben uns steht ein älteres Paar aus München. Auf der anderen Seite eine Tischtennisplatte neben dem Spielplatz und eine aufgeblasenen Hüpfburg. Das Geräusch des Kompressors für die Hüpfburg stört etwas, weil erst gegen 22 Uhr abgeschaltet wird. Ich gehe nochmals um Null Uhr zur Toilette über den kurzen Weg. Es gibt hier nur eine einzige Stehtoilette. Und noch ein Novum: Das Toilettenpapier ist nur halb so breit wie üblich etwa DIN A 7 groß.
Vor fünf Tagen auf einem anderen Platz war ich ebenso überrascht, da das Papier dort auf großer Rolle fast das Ausmaß einer Küchenrolle hatte. Vielleicht war es für Großfamilien gedacht und hier in „Digoin“ scheint es ausschließlich Singles zu geben. Oder ist etwa der Platzinhaber ein gebürtiger Schotte? Das Gebäudeinnere ist auch um Mitternacht noch gut beleuchtet. Plötzlich, mitten im Geschehen werden alle Lampen zentral abgeschaltet. Es ist nicht nur dunkel, sondern stockdunkel. Da ich mich in meiner mir fremden Umgebung noch nicht so gut auskenne, erwische ich erschreckt gerade noch den verchromten Haltegriff, bevor ich mit dem rechten Fuß in den rutschigen Ablauf trete.
Glück gehabt! Wie gut, dass die Fußrasten mit dem Boden fest verbunden und nicht so lose sind wie bei der einen Hocktoilette in Lettland. Barbara schläft schon lange. Ich werde ihr Morgen früh von meinen nächtlichen Erlebnissen berichten. Was gibt es Schöneres, als seinem Partner mit aufregenden Toilettengeschichten noch vor dem Frühstück zu überraschen.