Frankreich – 08.08.11

8. August

Die ganze nette Campingplatzbetreiberfamilie steht vor der Halbschranke und wünscht uns wortreich „bon voyage!“ Hier fahren wir nur ungern weg, da es uns ausgesprochen gefallen hat. Barbara fragt noch schnell nach, wie weit es bis zur nächsten Tankstelle ist. Der Monsieur zeigt ihr zwei Finger und deutet in die Richtung, in die wir auch fahren wollen. „Deux kilometre!“ sagt er und ich atme auf, denn wir haben wieder mal den kleinen Vierziglitertank fast leer gefahren. Und nun erleben wir die Hochalpen oder die Hocheifel pur.

Hoch oben im Gebirge ist's mitunter sehr einsam
Hoch oben im Gebirge ist's mitunter sehr einsam
Über den Dächern eines Gebirgsstädtchens
Über den Dächern eines Gebirgsstädtchens

Die Bewaldung wird zusehends dichter, es fängt zu regnen an und es geht mit den letzten Dieselreserven über solch immense Höhen, dass auch ich nicht immer meinen Kopf zur rechten Seite neigen möchte. Warum nicht ? Na, am Straßenrand gibt es keine Leitplanken oder Ähnliches und es geht mitunter auf der rechten Seite einige hundert Meter senkrecht bergab. Wer da nicht hochkonzentriert am Lenker sitzt, lernt schneller fliegen als er denkt. Links vor mir sitzt ziemlich verkrampft meine Frau und atmet stoßweise. „Diese verfluchten Berge!“ sagt sie. Und weiter:“ Wären wir doch nur nicht durch Mittelfrankreich gefahren, wo es nur Gebirge gibt!“ „Mir ist schon mehr als übel, wenn ich da hinunterschaue!“ Oder auch: „Das war wohl ein Griff ins Klo!“ Aber sie wartet nicht auf meine Antwort und brummelt weiter mit starrem Blick vor sich hin, denn ich rede auch schon seit einiger Zeit nichts mehr. Die ständigen Spitzkehren mit ihren Tücken lassen meine Knöchel am großen Lenkrad mitunter weiß hervor treten. Dafür eröffnet sich uns ein grandioses Panorama nach dem anderen, dass sich unser Chip im Fotoapparat heiß verbiegt. Es gibt auch irgendwann keine Almen oder Bergmatten mehr. Nur tiefer, undurchdringlicher Mischwald, der sich mal 300 Meter über, mal 300 Meter unter uns präsentiert. Dazwischen viele tief hängende Wolken, die wir mal unter, mal über uns sehen. Geht es noch höher? Ja! Es geht noch höher! Der vierte Gang bleibt über 90 Minuten eingekuppelt und Barbara schaut alle paar Minuten auf die Landkarte, um mir mitzuteilen, dass es weit und breit keine bessere Wegstrecke nach Süden gibt. Na, danke! Wir haben nach 70 Minuten nur 18 Kilometer geschafft. Von Tankstelle keine Spur. Nun kann ich ja auch nicht nur mit Halbgas fahren, da die Strecke dem Motor (und auch dem Fahrer) alles an Power abverlangt. Dann endlich, sehnsüchtigst erwartet der Ort „L Mayet de Montagne“ auf einer Bergkuppe. Der Ort ist sehr belebt. Wir fragen eine braunhäutige Passantin mit Kraushaar, wo wohl die nächste „Station de Essence“, die nächstgelegene Tankstelle sei. „Nur eine Kilometer weiter unten in der Stadt“, bedeutet sie uns auf Französisch. „Aber Sie müssen die Stadt umfahren, weil heute ein Stadtfest ist und der direkte Weg zur Tankstelle nicht anzufahren geht!“ Na, Mahlzeit!

Wir wurschteln uns durch die verd… engen Gassen so gut es eben geht. Der Tank verlangt 37 Liter. Die Französischen Autofahrer sind mitunter sehr rücksichtsvoll, wenn die Straße sich „verjüngt“ und wir die ganze Breite einnehmen. Sie geben uns dann Zeichen, dass wir Vorfahrt haben, auch wenn es nicht so ist. Ich bedanke mich jedes Mal mit dem Pferdegewieher aus meinem Außenlautsprecher und die Daumen der Wartenden zeigen nach oben. Barbara liebt solche Scherze nun gar nicht und meckert jedes Mal, wenn ich auf meinem „Akustiktrip“ bin. Ich brumme dann immer genau so etwas Unverständliches zurück wie sie, wenn es über die Berge geht. Aber die heutigen Aufstiege stellen alles Bisherige in den Schatten. Nur drei Autos begegnen uns und quetschen sich so gut es eben geht mit Gehupe an uns vorbei. Sonst ist es sehr einsam im Zentralmassiv. Vereinzelte Berghöfe, die aber auch verlassen wirken und halb verfallene steinerne Feldscheunen kreuzen unseren Weg. So kommen wir nicht gut voran. Irgendwann dann der Abzweig auf die breitere D 906. Da ist der Verkehr gleich lebhafter, aber ich kann nach gut drei Stunden Zuckelfahrt endlich mal wieder mein Handgas ziehen und mein rechtes Bein ausstrecken. Gegen 13 Uhr legen wir eine Mittagspause ein. Die Leberwurst aus Wusterhausen aus dem Glas schmeckt wunderbar, aber das alte, faltige Baguette von vorgestern passt nicht gut dazu. Hinter der Stadt“ Thiers“ ist es nicht mehr weit bis zu unserem Etappenziel.

Geld gibt's an jedem Automaten "kostenlos"
Geld gibt's an jedem Automaten "kostenlos"
In der Altstadt von Coupiere
In der Altstadt von Coupiere

Ob es in „Courpiere“ einen Campingplatz gibt? Es gibt ihn! Und sogar mit einem angegliederten Freibad, das sogar geöffnet ist. Aber die Außentemperatur von nur 20 Grad ist wieder nicht dazu angetan, die Badesachen hervor zu holen. Wir stehen ein paar Minuten vor der geschlossenen Rezeption. Es ist gerade Mittagspause bis 14 Uhr. Dann kommt die sehr junge Anmeldemadam und fragt nach unseren Wünschen. Da wir des Französischen ebenso mächtig sind wie des Finnischen oder Samischen, ruft sie kurzerhand einen 63-jährigen Herrn herbei, der uns mit leichtem Slang in recht gutem Deutsch unsere Worte übersetzt. Dann dürfen wir uns den Stellplatz aussuchen. Und der liegt unmittelbar wie es der Himmel will, genau gegenüber der Toilettenanlage. Das erspart mir so manchen langen Gang spätabends. Der Platz ist städtisch und sehr gepflegt. Wir haben wieder mal Glück. Der Franzose, der Deutsch spricht und Lefort Maucice heißt, gibt sich als Oberbrandmeister der hiesigen Feuerwehr aus, ist im Elsass geboren und hat wie seine Eltern und Großeltern in der Schule im Grenzgebiet unsere Sprache gelernt. Es gibt eine Städteverbindung mit seiner Stadt hier und dem deutschen Paderborn in Ostwestfalen. Immer, wenn eine Delegation aus der deutschen Stadt hierher in die Auvergerne kommt, fungiert er als Übersetzer. Er lebt den Kontakt zu Menschen und setzt sich für das Gemeinwohl sehr ein. Auch uns ist er ein wichtiger und dazu noch ein interessanter Ratgeber und Dolmetscher. Wir hängen den Trecker ab und fahren in die Stadt zum Shoppen.

Eine sehr sehenswerte, schmucke Altstadt hat „Courpiere“ zu bieten, das am Fluss „La Dore“ liegt.

Wie gemalt erscheint diese Landschaft
Wie gemalt erscheint diese Landschaft

Nur zum bequemen Gehen sind die Gassen nicht besonders geeignet. Sie sind einfach für Füße aus dem Reinhardswald schlicht und einfach zu steil. Aber wir ergattern wieder zwei schöne Aufkleber von der Gegend. Der 40 Plätze umfassende kommunale Platz hat die Internetadresse: www.ville-courpiere.fr Wenn man einen geruhsamen und zugleich erlebnisreichen Urlaub in Mittelfrankreich verbringen möchte, ist man hier gut bedient. Ach ja, der Landesteil „Auvergne“ gehört sicher mit zu den sehenswertesten Regionen Frankreichs. „Auvergne“, das Land der hundert Vulkane und der kahlen Graskuppen mit den typischen, trichterförmigen Einstülpungen am Gipfel und dem Wald, der wie ein Haarkranz bis auf halbe Flankenhöhe ansteigt, bildet Frankreichs größten Naturpark. Wir sind den „Monts Dome“, und den „Monts Dore“ durchgetuckert, als wäre es nichts (grins) und werden auch noch das „Cezalliermassiv“ bezwingen. Vive la France!! Es gibt eine Unmenge an Prospekten von Sehenswürdigkeiten in der nächsten Umgebung von „Courpiere“, die man wohl nur in vier Wochen alle gesehen haben kann. Frankreich ist ein tolles Land! Egal, wo wir bisher Station gemacht haben, es war überall schön. Und die Berge, ja, die Berge werden im Nachhinein, wenn wir wieder Zuhause sind, garantiert immer kleiner. Das bringt so eine monatelange Reise eben mit sich. Das Schöne und Besondere bleibt eben eher in unseren Köpfen hängen als das Unangenehme, das wir erlebt haben. Heute sind in fast fünf Stunden nur 67 Kilometer weit in den Süden gekommen. So werden wir, so schätze ich, erst zur nächsten Wochenmitte in Lezignan ankommen. Zwei Tage vorher werde ich die dortige verantwortliche Touristikmanagerin telefonisch auf unseren Besuch vorbereiten. Mal sehen, wie sie reagiert, wenn sie hört, dass wir mit einem Traktor anrollen.

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