15. August
Es ist heiß, sehr, sehr heiß. Die Straßen stadtauswärts sind heute, am Montagmorgen gut befahrbar. Am Sonnabend war dagegen noch alles verstopft und Barbara hatte schon wieder die größten Bedenken, dass wir da gut durchkommen. Hinter „St.Affrique“ nehmen wir gleich die erste Takstelle. Die nimmt nur Karten an und unsere Karte passt dem Automaten nicht. Vielleicht weil heute ein französischer Feiertag ist. Welcher? Wir bringen es leider nicht in Erfahrung. Die Supermärkte haben geschlossen wie auch die meisten anderen Läden. Nur die Bäcker, die die landestypischen meterlangen Baguettes ofenfrisch alle Tage produzieren haben bis mittags an an Feiertagen offen. Was wäre ein Franzose ohne sein geliebtes Baguette zum Frühstück? Ein armer „Franzmann!“
An der nächsten Tankstelle lassen wir uns beim Automaten von einem jungen französischen Paar helfen, die mit einer 1000er BMW daneben stehen. Nun geht es, nachdem die Frau an mehreren Knöpfen „gespielt“ hat.
Doch was ist das?? Es riecht plötzlich so streng nach Dieselkraftstoff. Und munter plätschert der teure Kraftstoff in kleinen Rinnsalen aus einer abgerutschten Kraftstoffleitung auf den Tankstellenboden. Das Malheur hatte ich schon einmal im letzten Jahr in Hofgeismar, wo ich unbemerkt eine kilometerlange Dieselspur hinter mir hergezogen habe, bis eine Frau mich mit ihren Auto stoppte und die Polizei rief. Das Ablöschen durch die örtliche Feuerwehr kam mich hinterher teuer zu stehen. Wie gut, dass ich den Schaden beim Tanken bemerkt habe! Schnell den Kreuzschraubenzieher aus der Alukiste holen und die Schlauchschelle lösen, den Textilkraftstoffschlauch nach oben auf das feste Endstück der Leitung schieben und die Schelle wieder nachziehen, so fest es geht. Geschafft! Mir steht noch immer mein Pferdeschwanz zu berge, als wir mit ölverschmierten Händen weiterfahren, immer jetzt den Blick auf die Tankuhr gerichtet und die Nasenlöcher weit geöffnet. Doch es bleibt alles dicht. Glück gehabt!
Die Caravans und die vielen Wohnmobile sind gerade heute, am Feiertag dominierend. Wie oft werden wir gegrüßt, fotografiert und mit Lichthupe oder Horn begrüßt. Und wieder gibt es so manche Autofahrer, die uns überholen und dann wenig später an einer Ecke stehen und die Kameras zücken. In dieser Beziehung unterscheiden sich die Franzosen in ihrem Fotografierverhalten keineswegs von den Nordländern. Nach etwa 40 Kilometer auf der breiten D999 biegen wir ab auf die D32 und steuern die Stadt „Belmont-s-Rance“ an, die wiedrum hoch oben in den Bergen liegt.
Es ist einfach gigantisch und mit meinen dürren Worten nicht zu beschreiben, wie herrlich diese Stadtlandschaft anzuschauen ist. Ich bin ja nun wahrlich keine Reiseschriftsteller, sondern nur ein subjektiver Berichterstatter über unsere Reise. Die uralten Steinhäuser, teilweise an die Felsen angelehnt oder direkt in den Fels hineingebaut mit ihren kleinen, blumengeschmückten Fenstern und die vielen kleinen und großen Mauern und Mäuerchen, auf denen auch immer Blumenschmuck in Trögen oder Holzkästen angebracht ist, lassen das Herz eines jeden Betrachters höher schlagen. Grandios! Dafür, um dieses Schöne zu sehen, müssen wir uns halt mit den unzähligen Bergen abfinden, die schier unendlich sind. Wenn man denkt, nun geht es mal ein Stück in die Ebene hat man sich meist getäuscht und befindet sich nur auf einem kurzen Stück Hochplateau, wo es danach gewöhnlich noch steiler wieder hinrab als herauf geht.
Der nächste Ort heißt „Lacaune“ und wir tun uns schwer mit den vielen Bergwindungen. In ganz engen Spitzkehren hängt manchmal das Heck des Bauwagens ein Stück über dem schroffen Felsabgrund und ich muss jede dieser Kurven sehr gut vom Radius her berechnen. Barbara sage ich besser nichts von dem, was ich im Rückspiegel manchmal sehe. Aber es läuft sonst gut und wir halten gegen 14 Uhr nach einem Campingplatz Ausschau so wie in letzten acht Tagen. Erst nach weiterer Zweistundenfahrt über das Gebirge, wo wir fast die einzigen sind, die auf den Almstraßen herumtuckern kommt der nächste Bergort namens „La Salvetat-s-Agout.“
Mitten im Ort, tief unten in einer Bodensenke dann ein kleiner Campingplatz. Barbara steigt ab und fragt nach. Ein Camper gibt Auskunft. Die Rezeption hat erst wieder um 16 Uhr geöffnet, wir möchten solange warten und es wäre auch kaum noch Platz für ein so langes Gespann. Nach kurzem Palaver beschließen wir, weiterzufahren. Bisher gab es alle 20-30 km einen Campingplatz. Doch heute tut sich nichts dergleichen. Nun sind wir schon 7 Stunden in der Gluthitze von 33 Grad Außentemperatur unterwegs und schon ziemlich am Ende mit unserem Latein. Die Getränke sind auch aufgebraucht und Brot haben wir auch keinen Krümel mehr. Ein kleiner Laden an der Straße in einem Dorf kommt uns da gerade recht. Er hat auch am Feiertag geöffnet. Schnell ein paar Waffeln und ein paar Flaschen Getränke eingekauft. Brot gibt’s nicht. Mittagessen mit trockenen , süßen Waffeln und einer Büchse Cola um 17 Uhr. Der Magen will schon gar nichts mehr haben.
Die D907 führt uns erst 3 km auf eine Anhöhe mit 5% und dann…. (bitte nicht schon wieder) über 10 km bergab über 6% Gefälle. Zuerst schafft es noch der fünfte Gang, der Schnellgang, das Gespann bei 22 km/h abzubremsen. Dann bekommen wir Brandgeruch in die Nase und feiner, blauer Rauch steigt zwischen den Ritzen des Schaltgestänges auf der rechten Seite in die Kabine. Nun aber fix anhalten, auch wenn es gerade vor einer Spitzkehre ist und alle Rundumblinklichter einschalten, damit wir rechtzeitig von den anderen Verkehrsteilnehmern gesehen werden. Die rechte Bremstrommel ist heiß gelaufen und der Achstrichter ist nicht mehr anzufassen, so eine Hitze gibt er ab. Wir warten eine Weile. Dann fahre ich 50 Minuten weiter bergab im Vierten. Der hält besser, doch auch jetzt muss ich hin und wieder mit der Fußbremse dosiert nachhelfen, um den Schub der 3 Tonnen hinter uns abzufangen. Es ist eine Tortour mit dem Abbremsen.
Nun ist es schon nach 18 Uhr und wir suchen noch immer nach einem Stellplatz. Die nachgeorderte Lage Getränke geht auch schon wieder zur Neige und wir wissen spätestens jetzt, was es heißt Durst zu haben. Immer wieder werden im flacheren Land die Straßen von Platanenalleen gesäumt. Auch viele andere, uns unbekannte Baumarten bekommen wir zu Gesicht. Und wunderschöne, grün eingefärbte cirka 12 Zentimeter lange Eidechsen, die allzu possierlich die Felswände und Mauern hoch kraxeln. Doch wir haben kaum noch Augen für unsere reizvolle Umwelt. Einen Übernachtungsplatz wollen wir finden, egal wo, egal wie. In „St. Pons-de-Thomieres“ sehen wir wieder ein Campingplatzschild. Gerettet! Oder doch nicht? Drei mal fragen wir Einheimische, wo denn nun dieser Platz zu finden ist. Drei Meinungen und drei Himmelsrichtungen gibt es. Wir klappern alle ab, jedoch der Platz bleibt einfach unauffindbar. Kein Hinweisschild, nichts. Wir sind völlig entnervt, als wir uns entschließen, weiter zu trotteln in Richtung Lezignan, unserem Zielort für Morgen. Die nächsten 20 km geben uns den Rest. Serpentinenartige Steigungen, mal wieder 7% über 6 km machen uns das Atmen schwer und den kleinen Dreizylinder kochendheiß. 85 Grad weist das Thermostat aus. Und dann springen auch noch nach der Durchfahrt durch ein Bergdorf die Klappläden unseres Schlafzimmerfensters auf und schlagen vernehmlich gegen das Holz des Bauwagens. Das ist ein Tag!
In „Olonzac“ sehen wir eine junge Familie gemütlich auf der Terrasse ihres Hauses sitzen und einen schönen kühlen Wein trinken. Barbara fragt die junge Frau nach dem nächsten Platz. Diese spricht etwas Deutsch und erklärt uns den Weg. 10 km weiter südlich im Ort „Homps“ gäbe es einen. Oh Gott! Nochmals eine halbe Stunde weiter fahren? Ja! Eine bessere Möglichkeit gibt es nicht. Erst weit nach 19 Uhr kommen wir dort an, aber wir finden auch diesmal keinen Campingplatz. Nur einen Stellplatz, auch nur ausgewiesen für maximal 3 Wohnmobile. Den Platz nehmen wir, egal, was er und egal, was es kostet. Es stehen aber komischerweise mindestens 30 Wohnmobile zu beiden Seiten des kleinen Hafenbeckens, das auch übervoll mit größeren seetauglichen Kajütbooten vollgestopft ist. Wir stehen in Reih und Glied dichtgedrängt mit den anderen am „Canal de Midi“ oder auch „Canal d’ Arrosage“ und lassen die Stützen und die Treppe herunter.
Publikum haben wir genug, die uns durchgeschwitzte, ausgehungerte, erschöpfte Deutsche beim Aufbau zusehen. Barbara bereitet einen Schnelleintopf zu. Der Hunger treibt’s rein. Es ist 20 Uhr und wir sind genau 10 Stunden gefahren. Verrückt, was? Meine Blase und die damit verbundenen Störungen haben sich schon lange abgeschaltet. Wir gehen bei immer noch 29 Grad über die kleine Brücke, die den Kanal überspannt und setzen uns in eines der romantisch am Ufer gelegenen Restaurants in den Schatten unter zwei Palmen. Bei zwei Glas Wein gebe ich auf. Ich vertrage heute nichts und der Alkohol steigt mir wohltuend zu Kopf.
Eine bleierne Müdigkeit macht sich bei uns beiden breit und wir liegen schon um 2 Uhr in der heißen Koje. Da wir keinen Strom ziehen können, haben wir ein paar Kerzen angesteckt. Das wirft ein ganz tolles, flackerndes Licht auf unsere Einrichtung. Die Chemietoilette muss auch wieder mal herhalten und Katzenwäsche am Abend, wo einer dem anderen den Rücken mit lauwarmem Wasser abwäscht ist besser, als ohne alle Hygiene aufs Bett zu steigen. Eine Zudecke erübrigt sich diese Nacht. Alle Fenster sind weit geöffnet, doch die Luft draußen und drinnen steht. Die Geräusche von draußen verstummen und wir fallen so richtig ausgepowert in einen unruhigen Schlaf.
Morgen sind es nur noch 20 km bis zum gelobten Lezignan, doch heute hätte ich die Strecke nicht mehr geschafft. So kommen wir Morgen Mittag ganz sicher ausgeruht dort auf dem Campingplatz an und haben dann noch den ganzen restlichen Tag „frei.“ Ist doch auch was, oder?
Am 15.8. war Maria Himmelfahrt – ein katholischer Feiertag, der hier in Deutschland auch nur in Bayern als „arbeitsfrei“ gilt…
Lieben Gruß! Anschi
P.S. Da ich nicht täglich zum Lesen komme, finde ich die neue Seitenaufteilung viel mühsamer…vorher konnte ich so schön „weiterblättern“, wenn ich ein paar Tage nacharbeiten wollte…:-(