Es riecht nach Ziege. Kein Wunder, denn ich suche die Bäuerin auf, um mich von ihr zu verabschieden und finde sie im langgestreckten Ziegenstall, wo sie gerade dabei ist, eine Ziege nach der anderen zu melken. Oder präziser beschrieben, sie hat 4 Ziegen hintereinander per Holzrampe in den Melkstand laufen lassen, wo den braven Tieren Melkschläuche angelegt werden. „Strip, strap, stroll, der Eimer ist bald voll.“ Bei über 40 Tieren wird das Melken wohl eine ganze Zeit dauern.
Dann bekomme ich einen Zeitungsausschnitt überreicht, wo der Kurzbericht über unsere Tour drinsteht und wir auf einem Foto zu sehen sind. Leider nicht das ominöse Foto mit der weißen, nackten Ziege. War wohl dem redaktionsleiter zu gewagt. Trotzdem, ich freue mich. Der 26. Bericht über unseren „Ausflug ins Grüne.“ Wir verlassen „Marlieu“ in nördlicher Richtung und sind erstaunt über die Geschwindigkeit, die wir heute vorlegen können. Es „flutscht“ nur so.
Nach zwei Stunden durchqueren wir ein kleines Stück das „Tal der Ain.“ Der Fluss ist bei Weitem nicht so breit und ruhig fließend wie die große Rhone, aber nicht minder reizvoll zum Anschauen. Der Ort „Poncin“ im Tal ist gut besucht, obwohl die Schulferien herum sind und die Nebensaison seit gestern begonnen hat. Dann aber kommt mal wieder das Unvermeidliche. Ich sage immer zu Barbara, jetzt hast du wieder dein tägliches Highlight. In Serpentinen windet sich die breite und absolut ungefährliche D 1084 einen Berg hoch, wo wir 30 Minuten brauchen, um in fast 1000 Metern Höhe oben anzukommen. Auf dem Berggrat ist das schmucke Dörflein „Labalme“ angesiedelt. Ich denke da an die Leute, die auch im Winter ihren Arbeitsplatz aufsuchen müssen und keine Wahl haben, auf gerader Strecke zu fahren. Bergab geht es sachter hinunter. Gott sei Dank! Wir kommen in ein Gebiet namens „Bugey.“ Es wären noch 14 km bis zur nächsten Stadt Oyonnax“, wo wir hoffen, einen Campingplatz zu finden und noch 4 km bis zum Städtchen „Nantua.“ Doch direkt am Ortseingang von „Port“ ein Schild hinter einem Bahnübergang, worauf „Camping/Restaurant“ steht. 30 Meter rechts neben der Straße schon.
Das passt. In 100 Meter Entfernung ein Supermarkt und ein langgestreckter türkisfarbener See, der „Lac Nantur“ mit 2,5 km Länge und 500 Meter Breite, nur 50 Meter neben unserem Stellplatz. Eine alte Dame, sicher die Seniorchefin, nimmt uns auf und geht wieder. Nur 5 andere Camper sind auf der weiten, ebenen Wiesenfläche vor dem See. Drachenflieger pendeln nur wenige Meter über den Bergspitzen. Die Toiletten sind sehenswert. Eine Holztür neben der anderen. Gegenüber, durch eine halbhohe Mauer getrennt eine zweite Reihe Toiletten. Diesmal aber die für die „Steher.“ Ich bevorzuge die erste Reihe.
Wenn man „sitzt“, schauen die Schuhe unter der Tür ein wenig heraus. Es geht halt eng zu. So kann man schon von weitem erkennen, ob man einen Nachbarn oder eine Nachbarin zum „Nebenhocker hat. Nach erfolgter Sitzung, wenn man wieder aufrecht steht, schaut der Kopf in Richtung Mauer aus der oberen Aussparung der grün gestrichenen Holztür heraus. Ich werde unwillkürlich an einen Pferdestall erinnert, wo die Vierbeiner immer aus der Luke schauten, ob es was Neues in der Welt gibt. Putzig! Aber die Aircondition funktioniert so recht gut. Wir bummeln ein wenig im Supermarkt herum, kaufen uns eine große Portion Eis und schlemmen in aller Seelenruhe.
220 km sind es nur noch bis zum schweizerischen „Bellach“, unserem Nahziel. Ich telefoniere das erste Mal mit Herrn Andreas Lehmann, dem schweizerischen Importeur von Zetor- und New Holland Traktoren. Er ist erfreut, dass wir ihn besuchen wollen und lässt uns auch wissen, dass es vor Bellach einen schönen Campingplatz bei Solothurn gibt. Auch hat er am kommenden Freitag eine große Ausstellung auf seinem Betriebsgelände und hofft, wir kommen so rechtzeitig an, dass seine Besucher uns noch mitbekommen.
Das werden ganz sicher wunderschöne und … aufregende Tage in der Schweiz. Unser Zetor soll dann auch, wie Herr Lehmann uns schon Ende März versprochen hat eine Generalüberholung bekommen. Das ist einfach SUPER! Barbara rasiert mir den Nacken aus und schneidet mir den Oberlippenbart am Nachmittag. Ich habe vernommen, dass die Schweizer Eidgenossen nicht jeden ins Land lassen, der ungepflegt über die Grenze will. Ob ich zuvor noch einmal dusche? Na, so streng wird’s wohl doch nicht zugehen. 220 Kilometer noch. Das sind nur drei schlappe Fahrtage. Wenn es auch ab Morgen übers Juragebirge geht, haben wir oder besser gesagt ich keine Angst vor den Bergen da.
Wir haben bis jetzt alles gemeistert und mich kann nichts mehr erschüttern. Ich fühle mich heute Abend gar nicht wohl, friere und habe Gliederreißen. Um 20 Uhr schon liege ich auf dem Bett. Etwas erhöhte Temperatur habe ich, stelle ich fest. Sofort kramt Barbara die Reservepackung eines Antibiotikums heraus.
Ist vielleicht besser so, dass ich gleich etwas einnehme. Barbara ist sehr geduldig mit mir und eine gute Altenpflegerin. Die Uretherschiene bereitet mir von Tag zu Tag mehr Beschwerden. Dieser körperfremde Plastikschlauch will halt entfernt werden und der Körper wehrt sich immer mehr gegen diesen Eindringling. Wenn ich mal 500 Meter langsam gegangen oder besser geschlichen bin, kann ich es vor Schmerzen schon nicht mehr aushalten und die perestaltischen , nicht steuerbaren Krämpfe sind einfach manchmal grausam. So bleibt mir leider seit Wochen nur ein sehr begrenzter Aktionsradius. Das soll ja nach dem Klinikaufenthalt in der zweiten Septemberwoche anders werden. Ich hoffe es sehr!