Polen – 16.06.11

16. Juni

Das Hinweisschild an der Landstraße
Das Hinweisschild an der Landstraße

Wir geben in unser Navi einen Campingplatz ein, der bei „Ruska Wies“ liegen soll und nur 115 Kilometer entfernt liegt. Das schaffen wir. Zumal die Sonne scheint und wir früh genug aufgebrochen sind. Die ersten noch schlaftrunkenen Zelter krabbeln aus ihren Minizelten, putzen sich die Zähne auf der Wiese oder sind dabei, sich zu recken und zu strecken. Wir sind schon lange „ausgereckt“ und hangeln uns über den buckligen Zufahrtsweg zur Landstraße. Nochmals geht es in die Stadt „Suwalki“, die sicher vieles an Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Auch die Durchfahrstraßen sind sehr sehenswert. Der Teerbelag, sofern vorhanden, häuft sich in Brocken aufgetürmt am Rand der Straße. Unter der oberen Decke blitzt der ursprüngliche Belag hervor: Kopfsteinpflaster! Hätte doch der Trecker eine noch so winzige Federung. Wir wären dankbar.

Nach 7 Stunden angestrengter Fahrt zeigt unser Navi nur noch einen Kilometer bis zum Campingplatz. Jedoch…es gibt kein einziges Hinweisschild am Wegesrand, das auf einen Platz hinweist. Wir halten vor einer Bar, die am Rande eines Weilers steht. In Polen sieht man überall „Bars“, die eigentlich kleine Imbissstuben sind und meist auch diverse Lebensmittel und alle Sorten Alkohol verkaufen. Der Verkäuferin halten wir unsere Landkarte vor die Nase und zeigen ihr auch die genaue Adresse des gesuchten Platzes. Aber sie schüttelt den Kopf. „Hirr gett nicht Platz auf Kamping! Hirr nix habben wirr!“

Die Einfahrt zu Heinz und Joanna Grundels Campingplatz
Die Einfahrt zu Heinz und Joanna Grundels Campingplatz

Das darf nicht wahr sein. Wir programmieren unser Gerät noch einmal neu und was kommt da heraus: 88 km weiter liegt der Platz im Westen mit derselben Ortsbezeichnung. So ein verdammter Mist! Was nun, sprach Winnetou, spuckte in die Wüste und schwamm davon. Wir sind ziemlich erschöpft und fahren lustlos weiter in der wagen Hoffnung, doch noch eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden.

Wir befinden uns etwa 15 km hinter der Stadt „Elk.“ Da, da vorne, noch ganz weit entfernt ein kleines, weißes Schild auf der rechten Seite. Wir ziehen schnell unsere Sehhilfen auf und…tatsächlich. Ein Campingplatz nur 60 Meter neben der Straße. Ich biege ein und halte. Ein villenähnliches , äußerst gepflegtes Anwesen lugt zwischen den Bäumen hervor. Mehrere Hunde melden uns. Na, das kann ja schlecht sein, dass es da einen Campingplatz gibt in einer so pikfeinen Umgebung, wenn auch mitten im Wald. Wir haben uns gründlich getäuscht.

Ein älterer Herr mit schneeweißen Haaren und mit Berliner Slang, Wolfgang Kotzian,  kommt uns freundlich entgegen und erklärt, er wäre gewissermaßen der Ersatzplatzwart, weil der Chef gerade unterwegs sei und er mache die Aufnahme.

Wir sind willkommen. Wenig später staunen wir nur noch. Im Hintergrund und fast um das ganze schmucke Haus herum sind wahrhaftig unzählige Stellplätze, einer schöner als der andere. Das Sanitärgebäude und das gesamte Areal mit allen seinen stilvollen Nischen und Ruhemöglichkeiten sind in einem Topzustand. Auf Anhieb gebe ich diesem Platz 6 Sterne (wenn es sie gäbe).  Der private Platz ist der der polnischen Gruppe „Agrotouristik“ angeschlossen und muss gewisse Voraussetzungen mitbringen, um dabei sein zu können. Joanna und Heinz Grundel gehört diese wunderbare Oase der Ruhe hier. Heinz Grundel, ein Rüdesheimer fröhlicher Zimmermann von stattlichem, einladendem Äußeren um die 60 hat mit seiner polnischen Frau dieses Kleinod geschaffen. Man sieht auf den ersten Blick, dass hier deutsche Gründlichkeit und polnische Lebensart bestens miteinander harmonieren. Leider ist die Ehefrau zur Zeit in den USA und wir können sie nicht kennenlernen. Heinz jedoch, die rheinische Frohnatur mit viel Sinn für alles Ästhetische und perfekter Organisation ist wohl für alle, die bei ihm unterkommen, der beste Gastgeber, den man sich im Urlaub vorstellen kann. Er sorgt sich um jeden Einzelnen, fragt nach, ob weitere Wünsche bestehen und zeigt uns bereitwillig, was er mit seiner Frau in den letzten Jahren erschaffen hat. Donnerwetter! Das ist nicht gerade wenig!

Heinz Grundel, die Rüdesheimer Frohnatur und Campingplatzinhaber
Heinz Grundel, die Rüdesheimer Frohnatur und Campingplatzinhaber
Der Eingangsbereich zu den sanitären Anlagen
Der Eingangsbereich zu den sanitären Anlagen

Im Garten gibt es einen zauberhaft angelegten Fischteich, exklusive Sitzgelegenheiten, Blumenrabatten und „Wohlfühlinseln“, wo man sitzen und sich ausruhen kann. Bis zum „Lipinskie-See“ sind lediglich 300 Meter über einen Waldweg zu gehen.

Hier, im Herzen der Masuren scheint alles noch im Einklang mit der Natur zu sein. In der weiteren Umgebung kommt man zum größten Sumpfgebiet Europas, dem „Wigirski-und Biebrazanski-Nationalpark“ oder man kann die Wolfsschanze, das Kamedulenkloster zu Wigry oder die Viadukte in Stancyki besuchen. Wir können dies alles nicht sehen, da mit einem Trecker nicht überall schnell mal hinzukommen ist. Auch Elche gibt es noch in freier Wildbahn, wie uns die Hinweisschilder zeigen. 

Polen ist ein einmalig schönes Land !!!

Wenn die Deutschen wüssten, wie gut und preiswert man in Polen urlauben kann, würde alle Welt statt nach Spanien oder Italien nach Polen pilgern. Wie gut, dass es nicht alle tun. So hält sich der Verkehr sehr in Grenzen und das Ursprüngliche des Landes bleibt erhalten.

Wir haben auch bisher noch kein unfreundliches Gesicht gesehen. Im Gegenteil. Die Menschen sind offen und unverfälscht und …ehrlich.

Polen ist ein blühendes, ein aufblühendes Land.

Silhouette eines seltsamen Gespannes vor einem Kornfeld
Silhouette eines seltsamen Gespannes vor einem Kornfeld

Das, was man den Polen so allgemein andichtet, scheint vielleicht in den großen Städten „Mode“ zu sein, aber auf dem Land fühlen wir uns genauso sicher wie zu Hause. Wir schließen auch unseren Trecker nur selten zu und die Bauwagentür auch nur, wenn wir mal für längere Zeit abwesend sind. Zurück zum Platz von Heinz und Joanna Grundel. Heinz zeigt mir seinen alten, aber gut restaurierten Mc Cormick-Schlepper. Ein sehr schöner Oldtimer, der feste arbeiten muss. Paddelboote werden kostenlos zur Verfügung gestellt und auch Räder gibt es zu mieten. Duschen und Strom inklusive und Internet ebenso. Und das alles für nur 12 Euro am Tag. Da kann der Gute aber nichts verdienen, denke ich.

Wolfgang Kotzian schenkt uns diese Wildkatze
Wolfgang Kotzian schenkt uns diese Wildkatze

Die Berliner Nachbarn und andere deutsche Campinggäste verbringen hier schon, wie wir erfahren zig Jahre ihren mehrwöchigen Urlaub. Das können wir gut nachempfinden. Besonders der nette Berliner hilft uns bei allem, was wir erfahren wollen und wir fühlen uns fast wie ein weiteres Familienmitglied in dieser großen Runde. Am Abend bekommen wir noch ein sehr seltenes Raubtier zu Gesicht. Der Berliner schenkt uns doch wahrhaftig spontan einen originalgroßen Tigerkopf, der einem Echten in nichts nahe steht. Ob ich ihn mal gelegentlich in den Tank stecke?? Es wird besonders für Kinder in der nächsten zeit d i e Attraktion sein. Den Kopf hängen wir außen neben die Wagentür. Grrrr!!!

Da die Wlan-Verbindung so schlecht im Bauwagen ist, darf ich am Abend im Garten direkt neben dem noblen Haus auf einer Bank sitzen und auch noch mit Stromkabel ins Netz gehen. Die 3 braven Hunde sind die halbe Nacht meine Begleiter und liegen ruhig neben mir beim Schreiben. Eine Kerze wird mir auch noch gebracht, da ich die Tasten nur noch erahnen kann. Es ist schon lange stockdunkel und nach 23 Uhr, als ich müde durch den langen Garten schlurfe und mich zur Ruhe begebe.

Mein letzter Gedanke, bevor ich einschlafe ist: Hier kommen wir noch einmal hin und machen Urlaub.

Die Homepageadresse lautet: www.camping-mazury.com

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