17. Juni
Heute sollen wir mehr Glück haben mit dem Auffinden eines Platzes. Es ist der Gesuchte, den wir gestern natürlich nicht finden konnten, weil unser Navi nur einen Ort mit diesem Namen ausspuckte. Man stelle sich vor, man suche den Ort „Neustadt“ und wird vom Navigator zum nächsten Neustadt geleitet. Das gesuchte Neustadt läge aber 100 km weiter. So ähnlich erging es uns gestern.
Alle Nachbarn stehen draußen an der Ausfahrt und winken uns nach. Das waren wirklich kernige Menschen, die rundum sympathisch waren. In unserem Gästebuch haben sich einige verewigt. Es geht weiter durch Ostpreußen in Richtung „Mragowo.“ Wir verfahren uns wie so oft. Ist aber nicht so schlimm, da wir so uralte polnische Dörfer sehen, durch die wir sonst nie gekommen wären.
Hühner, Gänse und Enten laufen quer über die Dorfstraßen oder baden sich in den Wasserlachen, die die fehlende Kanalisation nicht so schnell wegschaffen konnte. Zweimal sehen wir ein Pferdegespann mit Eisenbereifung, das vor einer „Bar“ geparkt ist und hoch mit Heu beladen ist. Da wird der Bauer sich wohl ein Schnäpschen gönnen. Ich fühle mich in die Zeit meiner Jugend zurück versetzt. Alles ist so anders hier. Wie in einem Film läuft die grandiose Landschaft an mir vorüber. Doch wir sind ein Teil der Landschaft geworden mit unserem lustig anzusehenden Gespann und die Bevölkerung lässt alles stehen und liegen, wenn wir in ein Dorf einfahren. Einige vergessen sogar, uns zuzuwinken vor lauter Staunen. Der blühende, gelbe Mauerpfeffer nimmt ganze Böschungen ein und liegt flach da wie ein großer, gewebter Teppich.
Inmitten eines jeden Dorfes und auch dahinter am Feldrand sind kunstvolle Marienstatuen (Madonnen) in einer Art gemauertem Schrein aufgebaut inmitten eines Blumenmeeres. Manchmal sind es auch nur Plastikblumen. Sehr fromm ist die polnische Bevölkerung und sie verehren vor allem die Mutter Gottes. Wir sind so beeindruckt, dass wir viele dieser Stellen fotografieren. Maria soll das Dorf und die Tiere und Häuser vor allem Bösen schützen. Warum auch nicht.
In unserem Garten zu Hause steht lediglich ein Kobold vor der Haustüre, von dem aber kein Schutz zu erwarten ist. Auch die Friedhöfe sehen so ganz anders aus. Die alten, wie auch die frischen Grabstätten sind überladen mit aufeinandergestapelten Blumengebinden. Ein einziges Blumenmeer sind diese Stätten, wo man der Toten gedenkt.
Etwas Witziges sehen wir unterwegs angeschlagen auf einem handgemalten Schild. Darauf ist zu lesen: „Hier frische lebend gefangene Fische !“ An und für sich nichts Besonderes. Barbara fällt nichts auf. Gar nichts! Doch ich bitte sie, diesen Hinweis zu notieren. Zur Erklärung: Was ist wohl das Gegenteil von „lebend gefangen?“ Tot gefangen? Lustig! Beim ersten Tanken werden wir , man staune, von einem Tankwart betankt. Ungewohnter Service für uns. Und dann noch in zünftiger Tankwartkleidung. So wie früher.
Der Straßenbelag auf den Nebenstrecken im polnischen Osten ist unheimlich unterschiedlich. Ich würde ihn bezeichnen als ein riesiges Snoozelfeld, wo man sich so richtig austoben kann. Das Gefühl von Fahren auf Watte kommt aber nicht auf. Eher die Erfahrung, auf einem Nagelbrett zu fahren.
In Polen scheint es auch viele Fahranfänger zu geben. Die Fahrschulwagen haben ein großes quadratisches „L“ auf dem Dach. „L“ für „Laie?“ Die am Steuer sitzenden Schüler fahren sehr defensiv und man ist versucht, sie mit 27 km/h zu überholen. Ich lasse es aber lieber.
Wir kommen in „Rozynsk“ gegen 16 Uhr auf dem Campingplatz „Seeblick“ an. 150 Stellplätze, terrassiert, gemäht, sauber. Hier stehen fast nur deutsche Camper. www.campingpension.de
Der Platz wird von Marian und Barbara Mieczkowski geführt. Die drei Sterne sind berechtigt. Alle ohne Ausnahme haben unsere Ankunft bemerkt und noch bevor wie aufgebaut haben, kommen schon die ersten Fragen und die Kameras laufen heiß.
Alltag! Neben uns steht ein mittelgroßes Zelt und zwei schwere Motorräder parken davor. Es ist aber niemand zu sehen. Nach einer Weile erscheint ein junges Paar aus der Nähe von Münster und wir machen uns bekannt. Hei, das passt mal wieder! Marc und Melli sind sehr liebe Menschen, mit denen wir auch über eine längere Zeit befreundet sein könnten. Sie lieben sowohl die Ruhe als auch gute Gespräche.
Vor uns ein kleiner Teich, dahinter ein großer, stiller See, der Salentsee. Hinter uns ein kleines Restaurant mit Außenterrasse und…lauter nette Camper vor ihren Wohnwagen. Dieser Platz ist ebenso empfehlenswert wie der vorhergehende. Der Besitzer und seine Frau hat für einige angemeldete Camper ein Abendessen zubereitet. Wir setzen uns dazu und bekommen ein Terrine wohlriechender Suppe vorgesetzt. Es ist eine Kartoffelsuppe mit Pilzeinlage. Wir füllen uns zweimal auf und sind danach rundum satt. „Ruska Wies“, zu Deutsch „Reuschendorf“ ist ein ansehnliches Dorf mit Restaurants und kleinen Geschäften und vom Platz aus zu Fuß in wenigen Minuten zu erreichen. Es gibt auch freien Internetzugang, jedoch nur auf direkt auf der Terrasse. Dort verbringe ich die nächsten Stunden bis gegen 3 Uhr nachts und bringe die Berichte der letzten 10 Tage in unseren Blog. Danach trinke ich im Wagen noch die letzte Büchse lettisches Bier, die sich noch irgendwo anfindet und krabbele um Halbvier in die Koje. Barbara schläft schon seit 5 Stunden und schnarcht mal wieder fürchterlich.
Ich werde es überstehen (müssen).