23. April
Um Acht sind wir an der kleinen Rezeption des gelb gestrichenen Holzhauses. Einmal rund ums Haus, da niemand auf unser Dauerklingeln reagiert. Ein struppiger, unrasierter junger Mann begrüßt uns mit „dzien dobre“, dem polnischen Tagesgruß. Ich grüße auf polnisch zurück und frage ihn in der gleichen Sprache, wie es ihm geht. Nun ist er überrascht und grinst mit sieben Zahnlücken. Er stammt aus Polen und lebt mit seiner polnischen Frau seit heute wieder auf dem Platz. Sein Festhaus liegt in der Stadtmitte. Wir dürfen 2 Trommeln Wäsche waschen und trocknen. Er schrappt dann mit seinem Huskvarna-Rasentraktor ohne Auspuff den grauen Rasen auf der zwei Hektar großen Fläche ab.
Ich bin wieder einmal sehr irritiert, als ich später die Herrendusche betrete. Vier Duschen mit schräg hängenden verwaschenen Vorhängen sind vorhanden. Mitten im Raum, direkt einen Meter neben den Duschen, ohne Abtrennung oder eine Tür steht eine Toilette. Na, ich danke! Ich stelle mir vor, ich dusche mit 3 anderen Männern gleichzeitig und der Fünfte in der guten Stube hat gerade eine Sitzung. Mir beschlagen bei dem Gedanken die Brillengläser und ich denke, das gäbe vielleicht ein sehr lustiges Gedicht in Reimform.
So wie etwa: „Hier im Haus, das muss man wissen, frisch geduscht ist halb gesch….. !“
Die Herrentoilette wird auch gerade renoviert. Alles Inventar ist herausgerissen. So sind die Männer hier gezwungen, auf die Damentoilette zu gehen, wo ich, wie schon einmal auf der Fähre auf dem langen Gang, hier neben dem Waschbecken Frühstückstüten vorfinde. Frühstückstüten? Unisex! Ich ergebe mich in mein Schicksal und lasse es laufen.
Wir kaufen bei „ICA“ für die Osterfeiertage ein, bummeln durchs verschlafene Städtchen und gehen die fünf Gehminuten zu einer Halbinsel des Stromes, wo mehrere holzgeschnitzte einheimische Tiere im Unterholz neben Erklärungstafeln aufgestellt sind. Sehr interessant! Abgenagte Baumstämme weisen auf Biber hin.
Das Thermometer steigt auf 20 Grad. Im Bauwagen sind es fast doppelt so viel. Ein steter leiser Wind weht vom Flussufer zu uns herauf. Das tut gut! Barbara liest den spannenden Roman von Kai Meyer mit dem Titel“ Herrin der Lüge“, den wir bei Abfahrt von unserem Carlsdorfer Nachbarn Mark Meusel geschenkt bekamen, im Liegestuhl in der Sonne zu Ende. Ein klasse Schmöker! Zum ersten Mal seit 21 Tagen schalten wir abends unser Fernsehgerät ein. Die SAT-Schüssel muss ich sehr steil stellen, um Empfang zu bekommen. Endlich! Bild kommt, Ton auch, alle deutschen Sender sind da. Ein langer erster Fernsehabend ist angesagt. Wir genießen das Programm wie schon lange nicht mehr.
DsdS auf RTL läuft. Wer fliegt heute raus? Ardian oder Sarah oder etwa der putzige Pietro?
Morgen ist Ostersonntag und wir reden oft von unserer Familie und den Freunden, die uns schon jetzt irgendwie fehlen. Die SMS, die an und ab kommen, erfreuen uns tierisch. 1680 km trennen uns nun schon von Zuhause. Bis zum nördlichen Ende Europas sind es immer noch über 1200 Kilometerchen. Wir werden es schaffen!!! Unser Traum steht uns nach wie vor vor Augen.
Der polnische Platzbesitzer borgte uns seinen Internetstick und machte uns darauf aufmerksam, dass die Lebensmittelkette „ICA“ in Schweden alle Tage, auch an allen Feiertagen von 9-21 Uhr geöffnet hat und man dort an der Kasse eine Tageskarte kaufen kann, um 24 Stunden online gehen zu können. Die Karte mit den Login-Daten kostet nur 4 Euro. Als Dank schenken wir dem Polen einen kleinen Schokoladennikolaus, den uns u.a. Mama als Osterüberraschung mitgegeben hat. Schallendes Gelächter! „Tomte“ oder „Paskman?“ Weihnachts- oder Ostermann?
Etwas, was sich von deutschen Supermärkten unterscheidet: Vor der Kasse steht ein Automat. Man drückt auf Symbole, wie z.B. Hygieneartikel, Zigaretten, Medikamente und gibt die Anzahl ein. Dann spuckt der Automat einen Cupon aus, den man an der Kasse abgibt und zahlt und einen weiteren Zettel bekommt. Hinter der Kasse dann, am Ausgang, stehen weitere Automaten. Man liest dann auf dem an der Kasse ausgehändigten Abschnitt die Automatennummer ab und den darauf ausgedruckten PIN und tippt alles ein. Danach spuckt die Maschine die gekauften Artikel aus. Aufregend, wenn man das erste Mal ASS braucht und das schwedische Procedere noch nicht kennt. Aber, wie schon einmal gesagt, gibt es viele nette Schweden, die uns hilflosen Ausländern gerne helfen.
Tack sa mycket!
Ostermontag gehen wir essen. Alles zivile Preise und alles sehr schmackhaft. Gedünstete Biberschwänze auf Blattspinat mit Stubenkranichbrüstchen und grünem Stockholmreis. Dazu Kiefernadelgemüse und eine leckere Saftbarschsauce mit schwarzem, gegorenen Ameisenhonig. Heute nehmen wir sicher nicht weiter ab. Wir merken schon seit Tagen, dass unsere Leibriemen um 1-2 Löchern enger geschnallt werden müssen. Wir wollen ja auch mal was Positives über unsere Reise schreiben, nicht wahr? Mama hat uns für jeden Tag enggerollte Zettelchen geschrieben als „Tageslosung.“ Sie öffnen sich wie Jahrmarktslose und überraschen uns täglich. Heute steht da:“ Atme, lebe, freue dich!“ Danke, Mama!! Ja, wir atmen, leben und erfreuen uns unseres Lebens.
Die raureifbedeckte braune Wiesenfläche heute früh um sieben zeigt sich als Kontrast zum strahlendblauen Himmel. 3° plus!
Mal sehen, ob Morgen, am Dienstag, die Bremsleitung am Zetor repariert werden kann. Hier gibt es leider nur eine „Bilverkstad“, keine Traktorwerkstatt. Der Pole will einen Freund aus dieser Firma zu uns auf den Platz schicken, der sich den Schaden einmal ansehen soll. Ich denke an Dänemark und meine Skepsis wächst. Abenteuerurlaub? Drückt uns bitte die Daumen weiterhin! Sehe gerade, dass bis heute über 33000 Besucher auf unserer Homepage waren. Im Schnitt 300 pro Tag. Das ist enorm viel für eine private Homepage. Danke euch allen für euer Interesse an unserer Reise und die vielen Kommentare, Mails und Botschaften. Das baut wirklich auf!