„Zwei Spuren im Schnee führ’n herab aus großer Höh!“ Dieser Ohrwurm, den einst Vicco Toriani sang, geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht liegt es daran, dass wir in der Schweiz sind. Ein älterer Schweizer mit einem grauen, gezwirbelten Schnurbart kommt auf mich zu und erzählt mir, dass er hier auf diesem Platz fast Zuhause ist und ein Faible für ganz besondere Vehikel hat, die er mit seiner großen Kamera ablichtet und in seinem PC wie in einem Katalog abspeichert. So hat er schon einen uralten, schwarzen, amerikanischen Buik fotografiert, der einen Wohntrailer aus den USA aus dem Baujahr 1948 hinter sich her zog und viele andere merkwürdige Gespanne mehr. Unser Gespann ist seine neueste Errungenschaft und er macht fleißig Fotos vom Trecker und von unserer guten alten Tante Paula. Am Nachmittag bewölkt sich der Himmel und der schöne Blick auf die nahen Berge ist dahin. Es beginnt zu regnen.
Um Drei fahre ich allein mit dem Zetor über den Promilleweg in Andreas Werkstatt nach Bellach, denn wir sind heute, am Sonntag verabredet. Er hatte uns seinerzeit im März versprochen, unserem Zetor 5011, Baujahr 06.84 eine kostenlose Inspektion zu gönnen. Sehr, sehr großzügig finden wir das selbstlose Angebot von ihm. Also stehe ich alsbald in der Werkstatt und mache kleine Handreichungen so wie ein Lehrling im ersten Ausbildungsjahr. Andreas wechselt das Motorenöl, reinigt die beiden Ölfilter, schmiert alle Schmiernippel ab, überprüft den Füllstand des Lenkungsöls, des Öl- Luftfilters, des Kühlers, der Hydraulik, des Bremsflüssigkeitsbehälters, des Getriebeöls und reinigt die Kraftstofffilter. Dann zieht er alle Schrauben unter dem Treckerboden nach, die sich evtl. gelockert haben könnten. Er ist sehr erstaunt über den guten Pflegezustand unseres Schätzchens und hat nichts auszusetzen. Dann wird der Trecker einmal vorne und einmal hinten angehoben, um das Spiel der Radlager und der Antriebsachsen zu prüfen. Alles ist in Ordnung.
Auch für die feuchte Stelle unter dem rechten Differenzialgetriebe hat er sofort eine Erklärung. Einst wurde etwas zu viel Differenzialöl eingefüllt, so dass ein Überdruck entstand und eine Dichtung leicht nachgab. Unsere Handbremse, die mal hielt und mal nicht kommt jetzt auch in Ordnung. Lediglich der aufgesetzte Handbremsknauf war an der Unterseite aufgerissen. Er tauscht das Hartplastikteil sofort aus. Und die Handbremse lässt sich wieder bedienen. Was für ein Segen, wenn man an einem Steilhang vor einer roten Ampel anhalten muss. Danach repariert er den Zigarettenanzünder, der auch schon seit zig Wochen ausgefallen war. Nur eine Kleinigkeit zu Löten ist vonnöten. Nun haben wir wieder durchgehend „Navi-Strom.“ Auch den Fehler, dass die hintere Batterie im Bauwagen nicht lädt, findet er punktgenau. Eine versteckte Sicherung war durchgebrannt. Und dann gibt es noch ein Highlight: Unser provisorischer Tankdeckel aus Plastik, den wir seit Nordschweden als Provisorium benutzen wird gegen einen Neuen, Metallenen ausgetauscht.
Dann noch eine Probefahrt, noch einmal den Ölstand des Motors überprüfen und fertig ist die ganze Inspektion, die Wartung und die Reparatur. Andreas meint, der Zetor könne so noch jahrelang klaglos laufen. Er wäre in einem Topzustand und wir brauchten uns keine Sorgen zu machen. Das höre ich gerne. Man merkt bei diesem Schweizer Meister der Zetoren, dass sein ganzes Herz an den Traktoren hängt. Mit Freude und Eifer war er bei der Arbeit heute in seiner Freizeit am Sonntag und jeden Handgriff führte er professionell und mit einer Lockerheit aus, dass man ihm hohe Anerkennung zusprechen muss. Andreas, an dieser Stelle noch einmal ein ganz, ganz herzliches DANKE für deinen großzügigen Einsatz an unserem Vagabunden. Später, als wir im ersten Stock in seinem Büro sitzen und ich ihn frage, was denn wohl in der Schweiz so eine Arbeitsstunde für den Kunden koste, nennt er mir den Preis. 120 Franken. Also etwa 110 Euro. Schluck! Er war über drei Stunden am Arbeiten. Das Öl und die anderen Materialien kämen auch noch dazu. Ich weiß gar nicht wie ich ihm danken soll. Andreas liebt außer seiner Sabrina das Traktorpulling sehr. Er war zweimal Schweizer Meister und räumt auch sonst bei jeder Veranstaltung mächtig Pokale ab. Auch Sabrina, seine Lebensgefährtin nimmt aktiv am Traktorpulling teil und hat auch schon erste Preise gewonnen. Ein tolles Paar! Und das alles mit speziell getunten Zetoren, die vor jedem Start vom Schweizer TÜV abgenommen sein müssen. Wir sitzen noch eine Weile vor dem Bildschirm und schauen uns einige Pulling- DVDS an.
Es ist spät geworden als ich mich von den beiden in deren Wohnung, wieder ein Stockwerk höher, verabschiede. Nach Acht tuckere ich über den schmalen Feldweg nach Hause. Dabei fällt mir auf, dass beide Frontscheinwerfer nicht brennen. Sch…! Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass beide Lampen durchgebrannt sind und mache mir so meine Gedanken. Es regnet jetzt nicht nur, es schüttet. Sicher fallen in einer Stunde mehr als 30 Liter Wasser auf den Quadratmeter. Um unser Gespann hat sich ein großer See entwickelt, der den ganzen Campingplatz einnimmt. Das Wasser steht 5 Zentimeter auf den Wegen und über dem Rasen. Kleine Fische hätten keine Mühe, sich unter Wasser zu halten. Hoffentlich lässt der Regen in der Nacht nach, denn Morgen wollen wir in Richtung deutsche Grenze fahren.